Esther Vilars Vision von der 25-Stunden-Woche
Geschwurbel von Daniel Schwamm (31.05.1994)
Inhalt
Das 20. Jahrhundert brachte u.a. Automatisierung und beinahe
perfekte Geburtenkontrolle mit sich. Daraus resultierte eine weitgehende
Befreiung der Frau aus ihrer sozialen Gebundenheit, womit sie zur
potenziellen Erwerbstätigen wurde. Neben den Frauen sieht die Vision der
25-Stunden-Woche jedoch auch die Arbeit von Alten und in gewisser Weise auch
von Kindern vor. Alle würden nach diesem Modell arbeiten (müssen) -
aber alle nur für fünf Stunden am Tag.
Auch wenn es vielen linken Ideologen nicht gefällt, so
muss doch zur Kenntnis genommen werden, dass die Verteilung des
Privateigentums in der BRD einen Sättigungsgrad erreicht hat, der sich
kaum steigern lässt. Ein allgemein höheres Lohnniveau und mehr
Mitbestimmung in den Betrieben bremst die unternehmerische Initiative, was sich
letztlich negativ auf das Arbeitsplatz-Angebot auswirkt und damit auf die
Arbeiter.
Die Zeitverteilung jedoch wurde bisher grob
vernachlässigt. Zeit ist das wichtigste immaterielle Gut, welches Marx bei
seinen Umverteilungsplänen übersah. Statt dass wie im Moment
sich einige totschuften und die anderen sich totlangweilen, fordert das Modell
der 5-Stunden-Gesellschaft Arbeit für alle und damit kürzere
Arbeitszeit für alle. Die wesentlichen Punkte der seit 1977 vorliegenden
Vision der 25-Stunden-Woche von Esther Vilar sind:
- Arbeitszeit beträgt nur 5 Stunden.
- Arbeitszeitkürzung geht mit Lohnkürzung einher.
- Pensionsgrenzen sind selbst wählbar.
- Kinder erhalten ein staatliches Kindergehalt.
- Mütter/Väter können bei vollem Lohnausgleich ein Baby-Jahr in Anspruch nehmen.
- Statt Ganztagsschulen gibt es nur noch 5-Stunden-Schulen.
- Universitäten arbeiten im 5-Stundenturnus.
- Die Semesterferien sind normalen dem Arbeiterurlaub angepasst.
- Recht auf Umschulung statt Recht auf gleichwertige Arbeit.
- Verbot von Überstunden.
Vilar nennt auch noch ein anderes Konzept, bei dem jeder eine
Arbeit hätte: das Modell des Mozart-Planeten. Auf diesem Planeten baut ein
Teil der Menschen kreisförmige Strassen, während der andere Teil
der Menschen die Strassen wieder einreisst. Um dem Ganzen einen
subjektiven (nicht objektiven) Sinn zu verleihen, darf der eine Teil der
Menschen nichts von dem anderen Teil der Menschen wissen, was eine totale
Kontrolle durch den Staat voraussetzt. Doch dieses Modell ist sicher keine
wünschenswerte Alternative, angesichts der Möglichkeiten, die die
25-Stunden-Woche bietet.
Das Modell der 25-Stunden-Woche kann gerade in der BRD eine grosse Chance sein,
mit den Problemen fertig zu werden, die sich durch die Maueröffnung
ergeben haben. Laut den Experten sind in den nächsten Jahren
DDR-Übersiedler und deutsch-stämmige Aussiedler in grosser
Zahl zu erwarten, wodurch die Arbeitslosigkeit weiter wachsen wird. Auch darum
fordern die Gewerkschaften immer wieder die 35-Stunden-Woche, der jedoch die
Arbeitgeber ebenso immer wieder entgegenhalten:
-
Arbeitszeitverkürzung wird durch Rationalisierungsmassnahmen aufgefangen,
d.h., an der Arbeitsplatzsituation ändert sich nichts.
-
Facharbeiter können nicht durch Rationalisierungsmassnahmen ersetzt werden.
Aber freie Facharbeiter-Arbeitsplätze gibt es mehr als genug.
Beide Argumente können leicht entkräftet werden.
-
Zu (1): Rationalisiert wird ohnehin ständig. Und die Arbeitszeitverkürzung
von 40 auf 37 Stunden brachte laut Gewerkschaftsangaben 150.000 neue Stelle und
50.000 verhinderte Entlassungen mit sich.
-
Zu (2): Durch die 25-Stunden-Woche würde das bisher schlummernde weibliche
Arbeitspotenzial wachgerüttelt werden, wodurch absolut mehr Facharbeiter zur
Verfügung stehen würde.
Das einzige stichhaltige Argument, warum durch eine
Arbeitszeitverkürzung die Arbeitslosenzahl steigen würde, wurde weder
von der Gewerkschaft noch von den Arbeitgebern genannt. Es sind die Frauen,
die bei niedrigerem Zeitaufwand verstärkt bereit wären, zu arbeiten.
Das würde die Zahl der Arbeitssuchenden in die Höhe treiben, und
sonst nichts. Aus eben diesem Grund müsste dem Plus der weiblichen
Arbeiter durch weitere Arbeitszeitverkürzungen begegnet werden, bis sich
etwa bei 25 Stunden in der Woche alle Arbeitsplätze besetzt wären.
Mit anderen Worten: Die Arbeitszeitverkürzungen sind keineswegs so "dumm,
töricht und dreist", wie Helmut Kohl meint.
Auch wertemässig wäre derzeit eine Durchsetzung
der 5-Stunden-Gesellschaft im Rahmen des Möglichen, denn laut den Umfragen
wären viele Jugendliche bereits, gegen ein mehr an Zeit finanzielle
Einbussen hinzunehmen. Auch fordern die Feministinnen verstärkt
Halbtagesjobs, obwohl diese Forderung zur verstärkten Unterscheidung
zwischen Männer- und Frauenarbeit führt, und nicht zu einer
Angleichung (im Bezug auf die Zeit, nicht den Inhalt!). Das Baby-Jahr,
dass 1977 noch als utopisch verschrien wurde, ist in der BRD bereits -
finanziell beschränkt - durchgesetzt worden. Und nicht zuletzt gibt es die
Partei der "Grauen Panther", die für die Rechte der Alten eintritt, so wie
es Vilar im Rahmen ihres Modells forderte.
Wie alle grossen Ideen stösst sich auch die Vorstellung der 25-Stunden-Woche
mit den Vorstellungen anderer Modelle oder Menschen. Im Wesentlichen sind es
25 Kritikpunkte, die gegen Esthers Vision ins Feld geführt werden, die im
Nachfolgenden aber alle entkräftet werden können.
Das ist wahr. Aber nicht nur Experten sind in der Lage, die
Wirtschaft zu beurteilen, da diese z.T. aus menschlichem Verhalten resultiert,
welches generell keiner exakten Analyse zugänglich ist. Aus diesem Grund
ziehen einige (US-)Unternehmen auch bisweilen Betriebsfremde zur Rate, um sich
so vor Betriebsblindheit zu schützen. Eine Schriftstellerin wie Vilar lebt
ja bis zu einem gewissen Grad von der korrekten Beobachtung des menschlichen
Verhaltens, sie ist also gerade Expertin für dieses Ressort.
Ausserdem können Schriftsteller auch Dinge zur Diskussion bringen,
die Experten lieber verschweigen, weil sie ständig um ihren seriösen
Ruf fürchten müssen.
Auch das ist bis zu einem gewissen Grad wahr. Doch ohne
Utopien gäbe es keinen Fortschritt. Ihre Durchsetzung kann lange dauern,
aber wenn sie praktikabel sind, sind sie i.d.R. eine Bereicherung des
menschlichen Daseins. Im Falle der 25-Stunden-Woche würde sie das
generelle 2-Klassen-System auflösen helfen, denn:
- im Beruf hätte alle Arbeit.
- alle würde gleichlange arbeiten (bis auf Selbstständige; dazu später mehr)
- jeder könnte Kinder finanzieren.
- Scheidungen wären nicht mehr aufgrund finanzieller Probleme blockiert.
- wie Selbstständige könnten Alte ihr Pensionsalter selbst festlegen.
Einschränkend muss gesagt werden, dass das
Modell tatsächlich utopisch sein kann, nämlich im Bezug auf arme
Länder. Es deswegen aber in den reichen Ländern nicht einzusetzen,
das wäre irrational.
Lehrer zeigen, dass ein halber Tag Freizeit keine ernsten
Probleme wie Alkoholismus, Kriminalität oder Fernsehsucht schüren
muss. "Gut", sagen die Experten, "das gilt für gebildete Lehrer. Was
aber ist mit den Arbeitern?" Die haben noch weniger Probleme, sich in ihrer
Freizeit zu beschäftigen. Ein Intellektueller geht kaum ohne Buch nach
Mallorca, ein Arbeiter aber schon. Die meisten Freizeitangebote wissen die
Arbeiter zu nutzen: Wandern, Angeln, Kegeln, Basteln, Stammtisch, usw.
Durch das Modell wird der Alkoholismus nicht zunehmen, weil
mehr Zeit zur Verfügung steht, Probleme zu lösen. Es wird auch die
Kriminalität zurückgehen, da sich die meisten Kriminellen aus
Heimkindern rekrutieren, deren Anzahl deutlich abnehmen wird. Und
Fernsehsüchtiger zu sein ist immer noch besser, als sich in der
Fabrik dumm und dämlich zu arbeiten.
Und selbst wenn Freizeit so etwas Schlimmes ist, dann ist die
derzeitige Situation erst recht nicht gerecht, in der die eine Hälfte
schuftet und sich wertvoll fühlen darf, während die andere
dahinvegetiert.
Das stimmt bis zu einem gewissen Grad. In der BRD arbeiten
16.5 Millionen Männer und 10.5 Millionen Frauen, im Schnitt 40 Stunden in der Woche
(mit Überstunden und Halbtagsjobs). Würden die restlichen 6 Millionen
Frauen plus den 2 Millionen Arbeitslosen arbeiten, dann würden für die
gleiche Arbeitsleistung 30.8 Stunden in der Woche pro Arbeiter genügen.
Doch diese Stundenzahl lässt sich weiter minimieren, denn:
- bei 5 h/Tag arbeiten mehr Alte länger, laut Umfragen43% von 10 Millionen Rentner.
- durch höhere Arbeitszufriedenheit geht der Krankenstand zurück.
- das Leistungstief nach der Mittagspause fällt weg (daher 5 h nötig!)
- die Qualität steigt, weil weniger Stress vorliegt.
- das weibliche Arbeiterniveau würde sich dem männlichen anpassen.
Das ist richtig, daher schlägt Vilar ja auch
Schicht-Arbeit vor. Statt einmal 8 Stunden am Tag, sind dann betriebliche
Ressourcen zweimal 5 Stunden am Tag nutzbar, wodurch die Produktivität
sogar steigt, zumal dabei auch noch die Mittagspausen wegfallen. Nicht zuletzt
bringt dass auch noch Vorteile bezüglich der Rush Hour, die durch
Schichten gesplittet wird.
Auch das ist richtig. Doch um die Leistung in nur einer
Schicht aufrechterhalten zu können, sind bloss 37.5% neue
Arbeitsplätze nötig. Büroarbeitsplätze sind ja relativ
billig, ausserdem entstehen durch sie kaum Fixkosten während der
Nichtbenutzung. Das Einzige, was Probleme bereiten könnte, sind die
zusätzlichen Räume. Doch bei 5 Stunden kann auch enger beieinander
gearbeitet werden. Und ausserdem können die überflüssig
gewordenen Mensa-Räume u.ä. genutzt werden.
Das trifft nicht zu, denn die bestehende Arbeit wird ja
entsprechend auf zwei Arbeitsplätze aufgeteilt oder in zwei Schichten
bewerkstelligt. Durch das Plus an Freizeit werden zudem viele neue
Arbeitsplätze geschaffen, v.a. im Dienstleistungsbereich, der vom Export
unabhängig ist. Die Mobilität als zentrale Anforderung für
Arbeitssuchende wird wesentlich reduziert, wodurch auch die soziale
Entwurzelung relativiert wird. Selbst die heilige Kuh Auto kann dann endlich
geschlachtet werden. Ein Grund dafür: Statt eines Rechts auf gleichwertige
Arbeit gibt es ein Recht auf Umschulung. Arbeitslose müssen natürlich
auch noch dadurch verhindert werden, dass schärfer gegen
Überstunden und Schwarzarbeit vorgegangen wird.
Das mag stimmen. Aber ein längerer Urlaub ändert
überhaupt nichts an derzeitiger Arbeitslosensituation. Die 4-Tage-Woche
hat dagegen die Nachteile, dass die Produktivitätskapazität
unausgelastet bleibt, dass sie nicht im Einzelhandel funktioniert und auch
sonst fast alles beim Alten bleibt.
Das ist ein schwieriger Punkt in der Vision. Der Lohnverlust
erscheint auf den ersten Blick tatsächlich gravierend zu sein; man
verdient fast die Hälfte weniger. Doch diese Tatsache wird durch einen
wesentlichen finanziellen Vorteil mehr als nur ausgeglichen: Man arbeitet nur
noch für sich, und nicht mehr für finanziell abhängige Personen
wie Frauen, Kinder und Alte, da diese ein eigenes Einkommen haben. Dem Ledigen
allerdings bleibt unter dem Strich tatsächlich weniger übrig. Falls
er unbedingt mehr verdienen will, kann er zum Heer der Selbstständigen
übergehen, deren Arbeitszeit gesetzlich nicht zu regeln ist.
Problematisch ist die Hinführung zur 25-Stunden-Woche.
Vilar schlägt vor, zunächst auf alle Lohnerhöhungen gegen
Arbeitszeitverkürzungen zu verzichten, d.h. auf den zustehenden
Wirtschaftswachstumsanspruch und den sich ergebenden Inflationsraten-Ausgleich.
Lohnerhöhungen wären dann nur noch über Beförderungen zu
erreichen. Je weniger der Mann verdient und je kürzer die Arbeitszeit
wird, umso mehr Frauen werden zu arbeiten beginnen, bis sich bei 25 Stunden in
der Woche ein Gleichgewicht einstellt.
Die Reform würde die Regierung weniger kosten, als es auf
den ersten Blick erscheinen mag. Wenn wir von 500 DM/Monat pro Kind ausgehen,
dass Kinder evtl. gestaffelt von Geburt an bis zum Schulabgang erhalten,
macht das bei derzeit 14 Millionen Kindern unter 16 Jahren 84 Milliarden DM. Zieht man davon
die 20 Millionen Kindergeld ab, die die Regierung bereits bezahlt, bleiben 64 Mia
übrig. Das ist in der Tat nicht wenig, aber viel mehr kommt auch nicht
mehr dazu:
-
Säuglingspflegegehalt: Die Lohnfortzahlung im Baby-Jahr
ist mit 600 DM/Monat bereits realisiert, müsste allerdings noch an
das volle Lohnniveau angepasst werden. Die dadurch entstehenden Kosten
sind zu vernachlässigen.
-
Krankenpflegegehalt für Kinder: Diese haben die
Unternehmen zu tragen, was aber durch den niedrigeren Krankenstand der
Beschäftigten mehr als wettgemacht wird. Bei der Betreuung des kranken
Kindes wechseln sich Vater und Mutter ab.
-
Mindestgehalt: Dieses liegt derzeit bei 900 DM/Monat
für Ausgebildete. Daran muss nichts geändert werden, es
entstehen also keine zusätzlichen Kosten.
Fazit: Die Reform kostet die Regierung ca. 64 Milliarden DM/Jahr,
doch angesichts der sozialen Vorteile ist dies ein geringer Preis, v.a., weil
die BRD auch über einen Handelsüberschuss von 147 Milliarden DM/Jahr
verfügt.
Senile Alte müssten auch nach der Reform ihren Platz
räumen. Doch Senilität ist meist eine Folge des Herausgerissenwerdens
aus dem Arbeitsleben, d.h. während des Arbeitslebens eher eine Seltenheit.
Natürlich lässt die Körperkraft nach, doch spielt das bei
den meisten Berufen keine grosse Rolle. Auch lässt offenbar die
Kreativität nach, doch dem haben die Alten ihre unschätzbare
Erfahrung entgegenzusetzen. Nicht ohne Grund sind die meisten führenden
Politiker oder Ärzte gestandene Männer, um nicht zu sagen Greise.
Durch die Reform könnten auch Werte wie Weisheit und Erfahrung Fuss
fassen, sodass die Alten wieder wie vor der industriellen Revolution
angesehene Personen wären.
Der Ledige verdient weniger als heute, jedoch wir er nicht
benachteiligt gegenüber den Verheirateten. Er muss den gleichen
Steuersatz zahlen, nicht mehr wie z.Z. einen höheren. Wie erwähnt,
könnte er jederzeit zu den 2.5 Millionen Selbstständigen stossen.
Ausserdem sind Ledige mit 10% der Bevölkerung auch
unterrepräsentiert, d.h., wegen ihnen auf eine Reform zu verzichten, die
90% bevorteilt, wäre asozial. Und wenn man den Ledigen mehr Geld
zugestehen würde, dann gäbe es bald nur noch wilde Ehen und
Scheinscheidungen.
Nämlich Vormittags- und Nachmittagsarbeiter sowie Selbstständige und Angestellte.
Der einzige Unterschied zwischen Vormittags- und Nachmittagsarbeit ist der,
dass nachmittags weniger Büroarbeit anfällt. Daraus erwächst niemandem ein sozialer
"Klassen"-Nachteil.
Die Klassen Selbstständiger und Angestellter gibt es
bereits. Tatsächlich würde die Reform den Unterschied zunächst
verstärken, da die Zeitregelung der Selbstständigen nicht gesetzlich
regelbar ist und sie infolgedessen u.U. erheblich mehr verdienen. Doch eine
Anpassung an die Masse ist auf Dauer zu erwarten, sodass der Unterschied
nicht grösser ist, als heute. Übler sind schon die Probleme der
Selbstständigen, die den ganzen Tag arbeiten und trotzdem am Hungertuch
nagen, z.B. Landwirte. Hier können vermutlich nur Bodenreformen gerechtere
Zustände schaffen. Arme Künstler dagegen können nach der Reform
vormittags arbeiten und nachmittags ihrer Kunst nachgehen.
Nach der Reform muss niemand bei einem Partner bleiben,
nur weil er finanziell abhängig von ihm ist. Das zerstört die
Familie, die aber zu diesem Zeitpunkt schon keine richtige mehr war, sondern
nur noch eine Zwangsgemeinschaft, unter der v.a. die Kinder zu leiden hatten.
Durch die Reformen werden Scheidungen gerechter, weil sie sich nun auch ein
armer Mann leisten kann. Ausserdem ist zu erwarten, dass die
Scheidungsrate eher kleiner wird, dass sich Mann und Frau nicht mehr so
stark auseinanderleben: Erstens haben sie mehr Zeit füreinander und
zweitens muss der Mann nicht alleine immer mehr dazulernen, während
die Frau alles vergessen darf.
Irland hat das niedrigste Kindergeld, aber die höchste
Kinderrate. Der Grund dafür ist, dass Kinder hauptsächlich
für die Altersversorgung benötigt werden. Je höher die soziale
Absicherung, desto niedriger ist die Geburtenrate. Doch nach der Reform
wären Kinder keine Belastung mehr, d.h., Abtreibungen würden abnehmen und
die Geburtsraten ein wenig zunehmen, was der BRD nicht zum Nachteil gereichen
würde.
Vilar plädierte für die Einrichtung von Schulclubs.
Hier können ohne Noten und freiwillig künstlerische Fächer
u.ä. gelehrt werden, die für das tägliche Leben nicht unbedingt
nötig sind. Morgens hätte man 5 Stunden Schule, mittags dann Zeit
für die Schulklubs - auch in den Ferien. Voraussetzung dafür
wäre, dass zwangsbasierte Hausaufgaben wegfallen und ebenso der
Nachmittagsunterricht. Die BRD beweist, dass dies funktioniert; sie hat
die niedrigsten Stundenzahlen, gehört aber zu den führenden
Wirtschaftsmächten. Die von den Feministinnen immer wieder geforderten
Ganztagsschulen dagegen können das Urlaubsproblem nicht lösen.
Die Reform unterstützt nur ein einjähriges
Baby-Jahr. Das heisst aber nicht, dass danach das Kind in einem
Kindergarten abgegeben werden muss. Das ist nur eine Option. Genauso gut
kann es den Grosseltern gegeben werden, die es nach der Reform nur noch 5
Stunden statt 9 oder 10 Stunden beaufsichtigen müssen. Auch können
die Eltern in verschiedenen Schichten arbeiten, und sich so abwechseln mit der
Kinderpflege. Die frühe "Schule" im Kindergarten stellt ausserdem
eine echte Chancengleichheit für alle Kinder dar, da sie so in einer
prägenden Zeit von ihrem sozialen Background etwas distanziert werden. Der
Kindergarten ist auch eine gute Sozialisierungsübung, die in den
isolierten Familien nicht so gegeben wäre. Prämisse wäre
hierbei allerdings eine drastische Steigerung des Kindergarten-Personals.
Die Reform schafft einige Privilegien der Studenten ab,
das ist wahr. So werden z.B. die Semesterferien auf Arbeiterurlaubsniveau
gekürzt und Stipendien gestrichen. Diese Privilegien entsprechen aber
ohnehin einem elitären Denken, welches nicht gerechtfertigt ist. Trotzdem wären
Unruhen nach der Reform nicht unbedingt zu erwarten. Durch das Schichtkonzept
könnte in Universitäten die doppelte Anzahl von Studienplätzen
geschaffen werden, das Studium würde kürzer dauern, die
Finanzierung über spezielle Regierungskredite oder Schicht-Arbeit
finanzierbar und die Professoren treten gegeneinander in Wettbewerb, was
die Qualität ihrer Vorlesung erhöhen würde. Das Problem des
"Akademikerproletariats" wäre durch die Reform allerdings nicht zu
lösen.
Wenn nach der Reform tatsächlich Männlein wie
Weiblein die gleichen Arbeiten ausführen würden, wäre dieser
Einwand gerechtfertigt. Aber warum sollte das geschehen? Die tägliche
Erfahrung zeigt uns, dass sich typische Männer- und typische
Frauenberufe (z.B. LKW-Fahrer und Krankenschwester) herausbilden, die Rollen
also keineswegs vermischt werden müssen, auch wenn alle arbeiten
würden. D.h., die Andersartigkeit des anderen Geschlechts, aus der
letztlich die sexuelle Attraktivität resultiert, bleibt erhalten. Es gilt
dann: Alles, was Männer können, müssen Frauen nicht können
und umgekehrt.
Das stimmt, so lange die Frauen nicht endlich anfangen, sich
wie die Männer gewerkschaftlich zu organisieren. Von 100
Gewerkschaftsmitgliedern sind derzeit nur 20 Frauen. Da leichter
Frauenüberschuss herrscht, verfügen die Frauen über mehr
Potenzial für Änderungen in ihrem Sinne als Männer, sie
müssen sich nur zu solidarisieren lernen. Der Überschuss
allerdings hält nicht ewig. Wie Untersuchungen zeigten, leben
gestresste Frauen auch nicht länger als Männer.
Es ist wahr, der Haushalt und die Kinder sind Domänen der
Mutter. Allerdings empfinden dies die meisten Frauen auch als Privileg,
dass sie sich kaum nehmen lassen werden - denn sie bestimmen dadurch das
Aussehen ihrer privaten Umwelt, sei bekommen die Kinder nach der Scheidung und
sie bestimmen den Speisezettel. Nicht zuletzt verliert der Hausmann für
die meisten (Ehe-)Frauen auch an sexueller Attraktivität, sowie seine
Entvirilisierung zu weit fortgeschritten ist. Was häufig übersehen
wird, ist, dass auch Männer der Doppelbelastung unterliegen, denn wer
kümmert sich denn i.d.R. um den Garten, das Auto, um Malerarbeiten,
Reparaturen und die Steuererklärung?
Das stimmt, lässt sich aber wegen der
grösseren Macht der Frauen kaum ändern, zumindest nicht, ohne
die Durchsetzung der Reform unnötig zu gefährden. Dabei wäre im
Prinzip nichts gegen weibliche Soldaten einzuwenden. Die Zivildienstleister
zeigen, dass die Männer das Militär nicht "von Natur aus"
lieben, und die zahlreichen Terroristinnen strafen dem friedliebenden
Frauenbild Lügen. Frauen beim Militär würde heissen, doppelt so viele
Menschen hätten Angst vor einem Krieg. Die neuen Militär-Techniken
würde sie trotz geringerer Körperkraft ohne Probleme beherrschen
können. Die Gebärzeit als Ausrede zu gebrauchen, ist absurd, da
Frauen ja nicht verpflichtet sind, den Nullipari-Zustand zu ändern.
Dennoch: Frauen wollen nicht zum Militär und also werden
sie es auch nicht tun, ausser evtl. in geringen zahlen bei einem
Berufsheer. Doch das entartet meist zu einer Endstation von Mittellosen, die
dann im Ernstfall für die Reichen den Kopf hinhalten müssen. Zudem
ist ein Berufsheer auch ein zu sehr abgeschlossenes System, was zu Werten
führen kann, die der Staat irgendwann schwer kontrollieren kann (man denke
nur an die Geheimdienste).
Nein, das Modell ist in diesem Punkt allenfalls konservativ.
Bereits an anderer Stelle wurde erwähnt, dass eine weitere
Verteilung von Eigentum die unternehmerische Initiative im Keim erstickt.
Ungleiche Bezahlung von ungleichen Menschen für ungleiche Jobs - das ist
gerechte Entlohnung. Dort, wo ungleiches Einkommen wirklich ungerecht wirksam
ist, nämlich bei der Ausbildung der eigenen Kinder, wird dies durch das
für alle Klassen gleiche Kindergeld und gleiche Ausbildungssystem
verhindert.
Die Kinder sind bezüglich ihrer Ausbildung nicht
abhängig vom Einkommen ihres Vaters - sie haben also vielmehr die
Möglichkeit als früher, ihre eigenen Fähigkeiten und Eignungen
herauszubilden. Seit z.B. Gitarren für jedermann erschwinglich wurden,
wurden mehr Gitarrengenies hervorgebracht, als in all den Jahrhunderten zuvor.
Und Gitarrengenies sind selten graue Mäuse.
Dem System der Terroristen ist durch kein Argument
beizukommen. Esthers Vision wird also keinen Terroristen bekehren können.
Doch bessere soziale Umstände nehmen Anti-Staat-Koalitionen den Wind aus den
Segeln (im Gegensatz zu härteren Sanktionsmassnahmen wie Todesstrafen
u.ä.), insbesondere im Bezug auf Neurekrutierungen von rechts bzw. links.
Und um solche besseren sozialen Umstände zu erreichen, dafür ist das
25-Stunden-Wochen-Modell ja gerade konzipiert worden.