Eingliederungsprogramme

Geschwurbel von Daniel Schwamm (25.04.1994)

Inhalt

1. Eingliederung als Problem

Die Rekrutierung neuer Mitarbeiter ist für ein Unternehmen eine teure und aufwendige Angelegenheit (man denke dabei z.B. an Assessment-Center). Daher schmerzt es besonders, dass die meisten Kündigungen von neuen Mitarbeitern innerhalb der ersten 12 Monate erfolgen. Grund: Ein Eingliederungsprogramm fehlte.

Eine Einarbeitung bzw. Eingliederung kann dann als erfolgreich angesehen werden, wenn für die neuen Mitarbeiter gilt:

  • Sie sind mit der Unternehmenskultur vertraut.
  • Sie sind gegenüber dem Unternehmen loyal.
  • Sie fühlen sich in hohem Masse an das Unternehmen gebunden.
  • Sie kennen ihrer eigenen Fähigkeiten und Defizite.
  • Sie wissen genau um ihre Funktion/Aufgabe im Unternehmen.

Um diese Ziele zu erreichen, sollten die neuen Mitarbeiter nicht zu Konformisten gemacht werden, die gute Verwalter abgeben, sondern zu kreativen Individualisten, die ihre Kritikfähigkeit auch in den Eingliederungsprozess mit einbringen.

2. Hauptprobleme der Eingliederung

2.1. Enttäuschte Erwartungen

Beim ersten direkten Kontakt zwischen Bewerber und Unternehmen, beim Bewerbungsgespräch, kommt es zu beidseitigen Informationsverzerrungen: Das Unternehmen stellt sich besser dar, als es ist, und der Bewerber stellt sich besser dar, als er ist. Dadurch werden auf beiden Seiten falsche, d.h. zu optimistische, Erwartungen geweckt, die, wenn sie nicht erreicht werden, zwangsläufig zu Frustration und Demotivation führen müssen. Die Folge: das unnötig frühe Ausscheiden des neuen Mitarbeiters.

Umfragen haben ergeben, dass bei Fehlen eines Eingliederungsprogramms 44% der neuen Mitarbeiter einen Realitätsschock erleiden, z.B. weil sie keine Unterstützung durch Vorgesetzte erhalten, weil misstrauische Kollegen Informationen blockieren, oder weil die vielen formalen Regeln ihrem Ausbildungsniveau keinen Entfaltungsraum geben.

2.2. Rollenkonflikte

Neben Erwartungsenttäuschungen führen auch Rollenkonflikte im Einarbeitungsprozess zu erhöhter Fluktuation. Formen solcher Rollenkonflikte sind:

  • quantitative Überforderung: Der Neue wird mit Aufgaben zugeschüttet.
  • qualitative Unterforderung: Der Neue darf nur Krimskrams erledigen.
  • Unklarheit: Der Neue erhält kein Feedback (Führungsdefizit).

Zwischen den Dimensionen Erwartungsenttäuschung und Rollenkonflikte gibt es Wechselbeziehungen. Wenn der neue Mitarbeiter z.B. mehr Unterstützung von seinem Vorgesetzten erwartet, dann geht dies auch sicher mit einer Rollenunklarheit einher.

3. Bausteine eines Einarbeitungsprogramms

3.1. Was kann der Vorgesetzte tun?

Bei der Eingliederung obliegt dem Vorgesetzten eine zentrale Rolle, denn er soll die abstrakten Zielvorgaben in konkrete Situationen übersetzen.

3.1.1. Dysfunktionale Strategien der Eingliederung

Der Vorgesetzte sollte bei der Eingliederung neuer Mitarbeiter nicht nach einer der folgenden Strategien vorgehen:

  • Schonstrategie.
  • Wirf-ins-kalte-Wasser-Strategie.
  • Entwurzelungsstrategie: Misserfolg des Neuen geradezu erzwingen.

3.1.2. Funktionale Strategien der Eingliederung

Der Vorgesetzte sollte bei der Eingliederung neuer Mitarbeiter nach einer der folgenden Strategien vorgehen:

  • dem neuen Mitarbeiter Entscheidungsraum geben, um sein Innovationspotenzial zu nutzen.
  • mit anderen Betroffenen für den Neuen ein Einarbeitungsprogramm entwickeln.
  • qualitative Unterforderungen vermeiden.
  • Feedback geben, und zwar ad hoc und periodisch.
  • Fehler des Neuen zulassen, damit dessen Initiative erhalten bleibt.

3.2. Realistische Rekrutierung

3.2.1. Schutzimpfung gegen zu optimistische Erwartungen

Um Erwartungsenttäuschungen zu reduzieren, sollten neue Mitarbeiter von vorneherein realistisch rekrutiert werden, d.h., sie sollten schon vorher genau wissen, was sie erwartet. Dadurch erhält der Bewerber eine Schutzimpfung gegen zu optimistische Erwartungen, die Selbstselektion wird erhöht, und die anfängliche Bindung an das Unternehmen erhöht, denn man entscheidet sich dann ja für aktiv für das Unternehmen - trotz seiner bekannten schlechten Seiten.

3.2.2. Instrumente der realistischen Rekrutierung

Mögliche Instrumente einer realistischen Rekrutierung können sein:

  • realistische Formulierung der Stellenanzeige: Z.B. keine zu hohen Anforderungen stellen, nur um auf diese Weise die Bewerberzahl zu reduzieren.
  • Broschüren, Videos und Filme: Positive bzw. negative Aspekte der Arbeit darstellen, z.B. eine unentschlossene Klientel.
  • mündliche Informationen im Bewerbungsgespräch: Dazu sollte man am Besten den späteren Vorgesetzten mit am Bewerbungsgespräch teilnehmen lassen, und den neuen Mitarbeiter gleich an seinen zukünftigen Arbeitsplatz führen.
  • einmalige, rituelle Orientierungsveranstaltungen zum Kennenlernen der Unternehmenskultur.
  • Einführungsseminare in periodischer Folge zusammen mit anderen neuen Mitarbeitern, zum Kennenlernen der Organisationsstruktur, der Sozialpolitik, der Personalpolitik usw.
  • Paten- bzw. Mentor-Systeme, d.h., einen erfahrenen gleichgestellten bzw. übergeordneten Kollegen dem neuen Mitarbeiter an die Seite geben.
  • Einrichtung spezieller Einstiegsabteilungen für besonders qualifizierte Berufsanfänger, um sie effektiv mit der Praxis vertraut zu machen.