Werkzeuge der Ist-Analyse von Organisationen
Geschwurbel von Daniel Schwamm (27.06.1994)
Inhalt
Objektive Kriterien gewinnen zur räumlichen Zuordnung der verschiedenen
Organisationseinheiten nach Massgabe der Intensität ihrer gegenseitigen Beziehung.
Kontakthäufigkeiten (nicht Dauer!) ermitteln zwischen Organisationseinheiten.
Entweder zentral von der Führung oder dezentral von Schlüsselpersonen schätzen
lassen, wobei jedoch viel Spielraum zur Manipulation bleibt. Oder über
Strichlisten bzw. EDV-Erfassung selbst die Zählung der Face-to-Face-Kontakte
übernehmen.
- Fragebögen werden als lästig empfunden.
- Angst vor Wegrationalisierung.
- Soll-Vorstellung stimmt nicht mit Ist-Gegebenheiten überein.
- Unkenntnis (v.a. der Intensität der Kommunikation).
-
Festhalten am Status quo, denn Änderungen sind riskant und bedeuten
eventuell eine Abwertung der bisherigen Arbeit.
- Erhebungszeitraum? I.d.R. 2 bis 5 Wochen.
- Kommunikationsart? I.d.R. Face-to-Face-Kommunikation.
- Zählgruppe? I.d.R. Arbeitsgruppen.
Die Kommunikationsanalyse dient z.B. der Büroraumplanung. Sie liefert ein
Ist-Bezugsschema für die Soll-Grundrissplanung. Sie kann aber auch als
Reorganisationsgrundlage dienen, wenn Änderungen an der Aufbau- bzw. der
Ablauforganisation vorgenommen werden sollen.
Wenn man mehrere Produkte herstellt, ist dann
eine funktionale oder divisionale Organisationsstruktur besser. Eine
Entscheidungshilfe bietet die Affinitätsanalyse. Sie analysiert die
Gemeinsamkeiten bzw. Unterscheide zwischen Produkten untereinander.
Bei hoher Affinität ist keine divisionale Organisation nötig, sondern es kann
funktional vorgegangen werden. Bei hoher Affinität zwischen zwei Abteilungen
(nicht nur bezüglich der Kommunikationshäufigkeit wie bei der Kommunikationsanalyse,
sondern mehrdimensional auch bezüglich Fertigungstechnologie, Abnehmergruppen,
Umsatz usw.; allerdings fehlt eine Betrachtung der optimalen Leitungsspanne wie
beim Lockheed-Modell) können diese u.U. zusammengelegt werden (Spartenzusammenfassung,
Geschäftsbereichsbildung durch Sub-Divisionen).
Ausdiskutieren der Affinitätskriterien (z.B. Kundenstruktur, Produktionstechnologie,
...) zwischen den Bereichen (Forschung, Produktion oder Vertrieb). Es ist dann
jeweils die Affinität zwischen zwei Produkten zu messen (Teilaffinität), die in
grafischer Weise durch Affinitätsblöcke verdeutlicht werden können: Der
überlappende Teil bedeutet dann die Ähnlichkeit zwischen den Produkten und diese
lässt sich in einer einzigen Zahl ausdrücken.
Gefahr der Willkür in Kriterien, Gewichtungen und der Messgrösse der überlappenden
Blöcke. Immerhin wird jedoch die Problematik strukturiert.
Nach Herrmann Matern ("Psychologische Arbeitsanalyse", 1983) kann man hier
nach folgenden Schritten vorgehen, die von AUSSEN zur Erhebung des intrinsischen
Aufgabengehalts durchgeführt werden:
-
Einordnung aller Tätigkeiten im Unternehmen nach Funktionen wie z.B. steuernde,
regelnde und überwachende Tätigkeiten.
-
Produktmenge, Güte, Materialverbrauch pro Auftrag erheben.
-
Arbeitsrelevante Kooperation zwischen den Beschäftigten
erheben (relevant für Inhalt und Umfang der Tätigkeit).
-
Aufträge auf Stabilität, Schwierigkeit und Verfügbarkeit prüfen. Man erhält
eine Rangordnung von Komplexitäten.
-
Freiheitsgrade pro Auftrag bzw. Tätigkeit ermitteln. Die objektiven
(beobachtbaren) Freiheitsgrade müssen mit den subjektiven (nach Befragung
erfahrenen) Freiheitsgraden übereinstimmen, sonst sind reorganisatorische
Massnahmen nicht zu vermeiden.
-
Erhebung der Häufigkeit, Zeitdauer, Wiederholungen von Aufträgen.
Wenn die Auftragsanalyse noch keine Aussagen für konkrete
Gestaltungsempfehlungen zulässt, kann eine Tätigkeitsanalyse
daran angeschlossen werden. Tätigkeiten setzten sich aus mehreren
(Teil-)Aufträgen zusammen, die von einer Person bearbeitet werden. Der
jeweils leistungsrelevante Teil der Tätigkeit kann durch folgende Schritte
durch Befragung der Beschäftigten ermittelt werden (d.h., hier erfolgt
eine Ermittlung des intrinsischen Gehalts von INNEN):
- Erfassung der Teiltätigkeiten einer Tätigkeit durch Beobachtung.
- Kategorien-System aller beobachteten Tätigkeiten bilden.
- Betrachtung der einzelnen Kategorien im Zeitablauf.
Über diverse Verfahren soll geprüft werden, inwieweit sich die zuvor
erhobenen Tätigkeitsstrukturen und Auftragsstrukturen auf das subjektive
Empfinden der Beschäftigten auswirken.
Das Job-Diagnostic-Survey-Verfahren von Hackman und Oldham
("Development of the job diagnostic survey", 1975) soll wiedergeben,
wie sich die Arbeitssituation auf die Motivation der Beschäftigten
auswirkt. Ohne auf die qualitative Trennung von Arbeitszufriedenheit
und Arbeitsunzufriedenheit einzugehen, propagiert das
Job-Diagnostic-Survey-Verfahren fünf Motivatoren:
- Anforderungsvielfalt.
- Ganzheitlichkeit der Aufgabe.
- Bedeutung der Aufgabe für andere.
- Autonomie.
- Feedback.
Die Beschäftigten sollen dabei jeweils von 0 bis 7 schätzen, inwieweit
diese Merkmale bei ihnen gegeben sind. Die Motivation lässt sich dann
in einer Zahl ausdrücken:
Motivationspotenzial = ((1)+(2)+(3))/3 * (4) * (5)
Die additive Verknüpfung deutet an, dass nur die ersten drei Motivatoren
kompensatorisch ausgeglichen werden können. Prämisse für die positive
Ausnutzung des Motivationspotenzials ist laut des Job-Diagnostic-Survey
ein Bedürfnis nach Selbstentfaltung des Beschäftigten. Ansonsten ist
der Beschäftigte durch eine Steigerung der Motivatoren sogar eher zu
demotivieren! Leider gibt das Job-Diagnostic-Survey-Verfahren keine
Auskunft darüber, WIE die Motivatoren genau zu steigern wären,
sondern nur, dass sie zu steigern sind.
Ähnlich wie beim Job-Diagnostic-Survey-Verfahren soll auch die subjektive
Arbeitsanalyse aufzeigen, wie Beschäftigte ihre objektive Arbeitssituation
wahrnehmen. Dazu werden fünfstufige Profile erstellt, die zwischen den
folgenden Extremen schwanken:
- Fremdbestimmung versus Selbstregulation.
- Sinnlosigkeit versus Transparenz.
- Dequalifikation versus Handlungskompetenz.
- soziale Isolation versus soziales Engagement.
Die subjektive Tätigkeitsanalyse will aufzeigen, dass kognitive Dissonanz
nicht mit einer Senkung der Anspruchsniveaus einhergehen muss, sondern dass
durch ein Bewusstsein für die Problematik innerhalb von Gruppen bei
gleichzeitigem Angebot von Qualifikationssteigerungen durch das Management
eine gleiche Leistung von höherer Effizienz zu gewinnen ist. Folgende
Schritte sind dazu durchzuspielen:
- In Gruppendiskussionen werden die Tätigkeitsdimensionen bestimmt.
- Pläne ausarbeiten zur Veränderung der Tätigkeiten innerhalb der Gruppe.
- Qualifikationen für die Veränderung ermitteln.
- Schulungsmassnahmen initiieren.
Die Hypothese der Analyse der Regulationserfordernisse besagt, dass die
Anforderung, die ein Beschäftigter an seine Arbeit stellt, mit der
Vollständigkeit der Aufgabe in einem korrelativen Verhältnis steht.
Dadurch bedingt wächst die Persönlichkeit des Beschäftigten mit der
Autonomie seiner Arbeit. In der Analyse kann nun ermittelt werden,
welche Regulationserfordernisse die Arbeit verlangt und inwieweit
sie vom Tätigkeitsträger erwünscht sind.
Regulationsbehinderungen ergeben sich aus:
- Regulationshindernisse: Dazu gehören Erschwerungen und Unterbrechungen.
- Regulationsüberforderungen (unabhängig von Ausführenden): z.B. Zeitdruck.
Sämtliche Ist-Regulationsbehinderungen sind zu ermitteln, um sie bei späteren
Gestaltungsmassnahmen berücksichtigen zu können. Denn es gilt: Nichts wirkt
demotivierender als ständige Störungen.
Stress wird hier als gesundheitsgefährdendes empfundenes Ungleichgewicht
bezeichnet. Stressoren ergeben sich hauptsächlich aus tätigkeitsimmanenten
Regulationsüberforderungen. Doch auch inhaltliche Unterforderungen (z.B.
Monotonie) können negativ auf das Bewusstsein der Beschäftigten drücken.
Die Analyse will Stress-Risiken von Tätigkeiten aufdecken, wobei sie
qualitativ drei stressige Arbeitsplatztypen unterscheidet. Stellen mit:
-
Zeitdruck+, Arbeitsinhalt+/-, Handlungsspielräume- =>
Arbeitszufriedenheit-, Depressionen+, Gereiztheit+
-
Zeitdruck+, Arbeitsinhalt+, Handlungsspielräume+ =>
Arbeitszufriedenheit+, Depressionen+, Gereiztheit+
-
Zeitdruck-, Arbeitsinhalt-, Handlungsspielräume- =>
Arbeitszufriedenheit-, Depressionen-, Gereiztheit-
Warum ist die Generierung von alternativen Grobkonzepten zur Lösung von in
der Ist-Analyse (siehe vorherige Kapitel) gefundenen Problemen sinnvoll?
Wird nur eine Lösung angeboten, besteht bereits eine implizite Bewertung,
die aber nicht transparent ist. Das bedeutet aber auch, die Akzeptanz der
Beschäftigten gegenüber dieser Lösung ist nicht hoch. Daher werden
mehrere Grobkonzepte angeboten, um Partizipation sinnvoll zu ermöglichen
(auch wenn z.B. zwei von drei Grobkonzepten nur zum "Abschiessen" gedacht
sind). Manager sind Architekten, die ihren Klienten, den Beschäftigten,
Gestaltungsalternativen anbieten sollten, damit diese Beschäftigten ihre
Zielvorstellung in den Prozess einbringen können, auch wenn ihnen selbst
das Know-how fehlt, die Alternativen zu erkennen.
Wie kommt man zu den Alternativen? Beispielsweise über Kreativitätstechniken
wie Brainstorming oder Synectics (Hineindenken in den Problembereich, z.B.
"Ich bin ein Schliessmuskel, was habe ich zu tun?"). Bei komplexen Problemen
eignet sich die Methode von John Kenneth Galbraith: Dabei überlegt man sich
Ideen zur Reduzierung der Koordination (z.B. Autonomie und Slack steigern)
und/oder der Steigerung der Informationsverarbeitungskapazität (z.B. EDV
und Teams ausbauen). Dadurch sind viele Varianten durchspielbar und der
Lösungsraum wird gut aufgespannt.
Bewertungen sind subjektiv. Jedoch können sie Intersubjektivität (also
fast Objektivität) erlangen, wenn sie allgemein nachvollziehbar sind.
Die nötigen Anforderungen dazu sind:
- Vollständigkeit der Bewertungsgrundlagen: Auch Wirkungen abschätzen.
- Einheitlichkeit: Planer und Entscheider brauchen gleiche Kriterien.
- Offenlegung: von Zielen, Gewichten usw. (Transparenzschaffung).
- Zielbestimmung: Welches Problem ist zu lösen?
- Alternativen bestimmen: Reorganisation 1 oder Reorganisation 2 besser?
- Relevante Kriterien bestimmen: z.B. Störanfälligkeit.
- Gewichte bestimmen: nach intersubjektiven Präferenzen.
- Skalen bestimmen: ordinal, kardinal, nominal?
- Ermittlung der Kriterienausprägungen: z.B. durch Schätzung.
- Wertsynthese für die Gesamtbewertung: Dies ergibt eine Rangfolge der Alternativen.
Die verbale Bewertung ist eine intuitive, meist nominale Abschätzung der
Kriterien-Ausprägungen. Die Wertsynthese ist hierbei schwierig. Wenn jedoch
wenig Bewertungsalternativen mit wenigen Kriterien vorliegen, und zudem die
Bewerter ungeschult sind, stellt dieses Verfahren für eine Vorwahl bzw.
globale Abschätzung die beste Alternative dar.
Hier werden nur monetäre Grössen beachtet. Durch die Anwendung kardinaler
Messskalen fällt die Wertsynthese einfach aus. Die Vorteile von Investitionen
können statisch (ohne Zinsen) über Rentabilitätsrechnungen, Amortisationsrechnungen
und Gewinnvergleichsrechnungen oder dynamisch (mit Zinsen) über Kapitalwertrechnungen,
interne Zinsfussrechungen und Annuitätenrechnungen kalkuliert werden.
Im Gegensatz zur kosten- und rentabilitätsorientierte Bewertung werden bei
der Kosten-Nutzen-Analyse auch nicht-monetäre Nutzenfaktoren berücksichtigt.
Dies verlangt aber verschiedene Skalen, sodass die Wertsynthese zwischen Kosten
und Leistung, und zwischen monetären und nicht-monetären Nutzen trennen muss.
Als Ergebnis will man eine kardinale Kennzahl der Bewertung erhalten.
Ein mögliches Verfahren hierzu könnte eine Kostenanalyse sein: Was kosten
Sachmittel, was das Personal und was eventuell benötigte Fremddienste?
Die Kosten können dann weiter zergliedert werden in einmalige Kosten und
laufende Kosten.
Bei der Kosten-Wirksamkeitsanalyse sind die Erfolgsaussichten relevant,
ebenso der langfristige Bedarf und die soziale Effizienz. Die Kosten und
Wirksamkeiten können in Balkendiagrammen visualisiert werden. Es lassen
sich auch Kosten-Wirksamkeitsquotienten bilden, wobei darauf zu achten ist,
dass Relativzahlen nur Verhältnisse wiedergeben und keine absoluten
Massstäbe sind (grafisch gesprochen: Nur auf die Steilheit der Kurve
kommt es letztlich an).
Die Nutzwertanalyse ist eine Vereinfachung der Kosten-Nutzen-Analyse,
da hier nur die monetären und nicht-monetären Nutzkriterien bewertet werden.
Üblicherweise kommen hier Scoring-Modelle zum Einsatz.
Die Kriterien der Modelle können von einem Planer/Entscheider stammen oder
sie können ausdiskutiert worden sein. Und über ihre Ausprägung kann ein
arithmetisches Mittel gebildet werden, wenn jeder Manager die gewünschte
Ausprägung der Kriterien selbst bestimmen darf.
Ihre einfachen Punktewertungen lassen sich z.B. verbessern, wenn wie z.B. beim
BASYC-Verfahren von Mumford optimistische und pessimistische Scores gebildet
werden (dafür benötigt dieses Verfahren allerdings Know-how von den
Bewertern). Auch können die Merkmale hierarchisiert aufgeführt
werden, um ihre Abhängigkeit transparent zu machen (z.B. Arbeitszufriedenheit
als Hypermerkmal für Fluktuation, Krankenstand und Motivation). Auch sollte
eine gemeinsame Basis für eine Rangeinordnung einzelner Merkmale
geschaffen werden, z.B. indem jedes Merkmal in Relativität zu den anderen
betrachtet wird.