Organisationsentwicklung
Geschwurbel von Daniel Schwamm (07.04.1994)
Inhalt
In ihren Anfängen wollte die Organisationslehre ingenieurhafte Prinzipien
zur Gestaltung optimaler Organisationsstrukturen nennen. Doch diese Prinzipien
alleine erwiesen sich als zu wenig, da u.a. die Hawthorne-Experimente, die die
Human Relations-Bewegung initiierten, zeigten, dass das menschliche
Verhalten nicht vernachlässigbar ist und also die Meinung der Betroffenen
bei der Organisationsstrukturgestaltung zu berücksichtigen ist.
Sofort machten sich daraufhin die Organisationstheoretiker daran, den
optimalen Führungsstil und das optimale Konfliktlösungsverhalten
herauszubekommen, bei dem alle Mitglieder einer Organisation motiviert und
zufrieden sind. Schnell zeigte sich jedoch, dass Menschen nicht so leicht
zufriedenzustellen sind und die Theorien der Organisationspsychologie und
Organisationssoziologie gewannen dermassen an Komplexität, dass ihre
Anwendung in der Praxis immer zweifelhafter wurde.
Immerhin, die Organisationstheoretiker identifizierten einige wichtige
Kriterien, die der Motivation und der Arbeitszufriedenheit förderlich zu
sein scheinen. Diese Kriterien werden seitdem als Ziele für die Gestaltung
der Organisationsstrukturen verwendet, wenn dabei auch der Human
Relation-Ansatz Berücksichtigung finden soll.
Kriterien der Motivation und der Arbeitszufriedenheit sind:
- Eigenkontrolle statt Fremdkontrolle.
- Gruppenverantwortung statt Einzelverantwortung.
- lose umrissene Aufgaben statt monotone, spezialisierte Aufgaben.
- fachliche Autorität statt positionsgebundene Autorität.
Da die Organisationsentwicklung dem Human Relations-Ansatz verpflichtet ist,
gelten obige Ziele generell auch für sie. Allerdings überlässt sie die Wahl
bzw. die Erreichung der Ziele stärker den Betroffenen selbst, da sie diese
durch ihr Hilfe-zur-Selbsthilfe-Programm - ein Geschenk aus der Psychologie -
viel stärker am Entwicklungsprozess beteiligen will.
Grundvoraussetzung dazu sind allerdings gewisse Eigenschaften der Mitglieder:
- Sie müssen sensitiv für das eigene Verhalten sein.
- Sie müssen teamfähig sein.
- Sie müssen fähig sein, Konflikte beizulegen bzw. zu lösen.
Solche Fähigkeiten sind nur wenigen Menschen im ausreichenden Masse
in die Wiege gelegt worden. Daher müssen sie meistens geschult bzw. trainiert
werden, was z.B. über Selbsterfahrungsgruppen geschehen kann, in denen der
Einzelne neue Verhaltensweise kennenlernen kann und mehr über sein eigenes
Verhalten erfährt, indem er andere beobachtet und sich selbst analysiert.
Daraus wird schon deutlich, was der Ansatz der Organisationsentwicklung (OE)
eigentlich ursprünglich wollte: Er wollte weniger die formalen Regeln einer
Organisation ändern als vielmehr die Einstellung ihrer Mitglieder - sie
sollten lernen, das jeweils beste aus einer von oben gegebenen
Organisationsstrukturen machen zu können.
Zunächst verfuhr die Organisationsentwicklung mit ihren Schulungsmassnahmen
recht elitär, d.h., nur einige wenige Schlüsselpersonen kamen in den
Genuss, Konfliktlösungstechniken u.ä. zu erlernen. Da diese
Methode nicht fruchtete - die allgemeine Motivation liess sich dadurch in
den Organisationen nicht steigern -, gingen die Organisationstheoretiker dazu
über, grossflächiger zu schulen. Mann dachte: Wenn nur alle
Mitglieder der Organisation ihr Verhalten und das der anderen hinreichend
analysieren können, dann ist eine Hilfe zur Selbsthilfe leichter zu
realisieren.
Und tatsächlich verhielten sich die OE-geschulten Mitglieder zunächst in der
erhofften Weise: Sie kooperierten stärker, sie mieden Konflikte und die Führung
durch die Manager konnte reduziert werden. Doch der Effekt hielt nicht lange,
denn schon bald fielen die Mitarbeiter in ihre alte Arbeitsweise zurück.
Als Grund dafür wurde das Carry-over-Problem identifiziert:
Die unveränderten Strukturen der Organisation harmonierten nicht mit der
neuen Verhaltensweise der geschulten Mitglieder und zwang sie so früher
oder später, zum alten Trott zurückzukehren. Und aus diesem Grund
wurde ein neuer Ansatz der Organisationsentwicklung gefordert: der
strukturelle Ansatz.
Wie sich gezeigt hat, konnte man durch Schulungsmassnahmen das Verhalten
von Organisationsmitgliedern dahin gehend ändern, dass sie selbstständiger
und friedlicher miteinander kooperierten. Je weitflächiger solche Schulungen
durchgeführt wurden, um so nachhaltiger beeinflussten sie den Arbeitsablauf.
Um jedoch dem Carry-over-Problem zu begegnen, war es nötig, die Verhaltensänderung
weniger durch Schulung der Betroffenen als durch Änderung der Organisationsstrukturen
zu erreichen. Der klassische strukturelle Ansatz der Organisationsentwicklung sieht
daher vor:
- Stellenaufgaben zu humanisieren.
- die Entscheidungsdelegation zu erhöhen.
- ein Management by Objectives durchzuführen.
- gruppenorientierte Entgeltsysteme einzurichten.
Hierzu ist kritisch zu bemerken, dass diese Massnahmen wie die
Organisationsprinzipien einen zu absoluten Charakter besitzen, um für jede
Situation gelten zu können. Die Organisationsstrukturen werden zudem nur
unvollkommen erfasst, es wird stattdessen mehr auf Führungsmassnahmen
eingegangen. Und diese Vorgaben widersprechen nicht zuletzt auch noch
dem Geist der Organisationsentwicklung, denn diese will ja ausdrücklich
die Betroffenen am Entwicklungsprozess beteiligen. Doch wenn es keine
alternative Gestaltungsmöglichkeiten gibt, dann dezimiert sich die
Beteiligung auf blosses informiert werden.
Wir sehen also, dass die Organisationsentwicklung, um ihrer Intention
gerecht zu werden, Alternativen in der Gestaltung benötigt. Wenn es nur die
eine optimale Gestaltung zur Lösung aller Probleme gibt, dann hat die
Organisationsentwicklung eigentlich keine rationale Daseinsberechtigung.
Es ist also zunächst wichtig, zu klären, ob es so etwas wie organisatorische
Gestaltungsspielräume geben kann.
Die Organisationsentwicklung soll helfen, dass Mitglieder einer Organisation
sich selbst helfen können. Wie wir am Carry-Over-Problem gesehen haben,
beeinflusst die Organisationsstruktur in erheblichem Masse das Verhalten
der Mitglieder. Wenn sie sich also selbst helfen wollen, müssen sie in
der Lage sein, Organisationsstrukturen selbst zu analysieren, um eventuell
bessere Alternativen dazu bilden zu können, die dann gemeinsam implementiert
werden. Das funktioniert natürlich nur, solange es Alternativen zu bestimmten
Strukturen gibt. Denn eine deterministische Strukturgestaltung würde
jeder Organisationsentwicklung den Boden unter den Füssen wegziehen.
Der situative Ansatz z.B. ging ursprünglich von solch einer
deterministischen Strukturgestaltung aus. Sein erklärtes Ziel war,
optimale Strukturen zu bestimmten Situationen ausfindig zu machen.
Bis zu einem gewissen Grad war der situative Ansatz auch erfolgreich damit,
denn er fand empirische Belege dafür, dass sich bestimmte Strukturen bei
bestimmten Gegebenheiten besser bewährt haben als andere Strukturen - doch
von einem Determinismus kann hier noch lange keine Rede sein, denn:
-
äquivalente Lösungen sind nicht auszuschliessen.
-
die Organisation kann die Situation ändern (z.B. durch langfristige
Verträge bei dynamischen Marktgegebenheiten).
-
auch Marketing, Finanzpolitik und Personalführung beeinflussen den Erfolg
einer Organisation. Eine "optimale" Organisationsstruktur alleine wäre
demnach also kein Garant für den Erfolg.
-
der situative Ansatz unterschlägt die Möglichkeit innovativer
Gestaltungsmöglichkeiten, da diese noch keine genügende empirische
Basis haben können.
Fassen wir zusammen: Der situative Ansatz, der einen Determinismus
aufzeigen wollte, kann allenfalls Gestaltungsempfehlungen abgeben, die viele
Spielräume zur Gestaltung der Strukturen offen lassen.
Andere Organisationstheorien waren diesbezüglich nicht erfolgreicher, d.h.,
die optimale Organisationsstruktur scheint es nicht zu geben. Daraus folgt
definitiv, dass Spielräume in der Gestaltung der Strukturen existieren,
dass also eine Konsensfindung zwischen verschiedenen Gestaltungsalternativen
durch die Betroffenen, wie sie die Organisationsentwicklung anstrebt, nicht
nur möglich, sondern sinnvoll ist.
In den vorherigen Kapiteln haben wir gesehen, dass eine strukturelle
Organisationsentwicklung eine erfolgsversprechende Sache zu sein scheint.
Um sie in der Praxis realisieren zu können, müssen allerdings einige
Voraussetzungen in der Organisation erfüllt sein (man könnte auch
genauso gut von Forderungen statt von Voraussetzungen reden), denen wir uns nun
in Form von fünf Thesen zuwenden werden.
Die von einer Reorganisation betroffenen Mitglieder sind in allen
Phasen des Reorganisationsprozesses zu beteiligen!
Stellen wir dazu zunächst fest, welche Phasen ein Reorganisationsprozess im
Allgemeinen durchläuft:
- Ist-Analyse.
- Zielsetzung bzw. Projektdefinition.
- Generierung alternativer Lösungen.
- Bewertung der alternativen Grobkonzepte.
- Implementierung eines Konzepts.
Warum nun ist die Beteiligung der Betroffenen sinnvoll? Der Grund hierfür ist,
dass Mitglieder den Experten, die normalerweise die Reorganisation
alleine durchführen, schlicht nicht über den Weg trauen. Sie glauben
einfach nicht, dass die Experten ihre Interessen hinreichend vertreten,
selbst wenn sie ihnen bekannt sind. Und aus diesem Grund lassen sie
den Experten z.B. bei Befragungen nur verzerrte Informationen zukommen,
wann immer dem aktuellen Status quo eine Änderung zu Wiederfahren droht.
Noch aus einem anderen Grund ist Beteiligung der Betroffenen relevant:
Die Experten sind zwar Spezialisten für das Reorganisieren, im Allgemeinen
nicht aber auch Spezialisten für die Abteilungen, die sie zu reorganisieren
haben. D.h., die Experten sind auf unverzerrtes Wissen der Abteilungsmitglieder
angewiesen, soll die Änderung der Strukturen ökonomisch und motivierend
sinnvoll sein. Und wie würden sich diese Ziele leichter realisieren lassen,
als einfach die Betroffenen an der Reorganisation zu beteiligen?
Natürlich stellt die erste Voraussetzung bei der Reorganisation eine
Idealforderung dar, die in der Praxis kaum je vollständig realisiert
werden kann. Zum einen sind nie wirklich alle Betroffenen am
Reorganisationsprozess ständig zu beteiligen, denn schliesslich
haben diese auch noch ihre tägliche Arbeit zu erledigen. Auch das Wissen
ist ungleich verteilt, so kann man die Betroffenen zwar befragen und sogar
Entscheidungen treffen lassen, das Reorganisieren selbst aber müssen
wiederum die Experten alleine durchführen.
Dieses Vorgehen der Experten des Reorganisationsprozesses umgibt die
Organisationsentwicklung mit dem unangenehmen Geruch der Manipulation,
denn die Partizipation der Betroffenen kann vielfach auch bloss
geschickt vorgetäuscht werden, um die Betroffenen bezüglich der
anfallenden Änderungsmassnahmen gnädig zu stimmen. Wären die Betroffenen
bei der Organisationsentwicklung tatsächlich voll integrierte
Entscheider, dann ginge dies ja letztlich mit einem Machtverlust des
Managements einher - und wer die besondere Spezies Manager kennt, weiss,
dass diese sich auf so etwas nie freiwillig einlassen würde.
Die Beteiligung der Betroffenen an der Reorganisation ist durch
spezielle Methoden bzw. Instrumente sicherzustellen!
Wie bei der ersten Voraussetzung erwähnt, lassen sich Manager nur ungern
das Zepter aus der Hand nehmen. Um hier zu grossen Machtmissbrauch zu verhindern,
da die Betroffenen nur zeitweise und mit Wissensdefiziten versehen aktiv an der
Reorganisation beteiligt sein können, muss der Prozess der Reorganisation
u.a. formalisiert werden, wobei festgeschrieben wird, wer welche Kompetenzen
einnimmt. Dies ist nicht nur bei der Relation Führungskraft-Mitarbeiter
von Wichtigkeit, sondern auch bei der Relation Mitarbeiter-Mitarbeiter.
Schliesslich - so lehrt uns die Mikropolitik und die tägliche Erfahrung -
versucht jeder in gewisser Weise, seine Zielvorstellungen in Prozesse
einzubringen. Nur eindeutig formulierte Richtlinien, Methoden und Instrumente
können hier grössere Interessenskonflikte verhindern.
Werden die Organisationsstrukturen umgestaltet, so ist neben den
ökonomischen Effekten auch die Auswirkung auf das Verhalten der
Betroffenen zu berücksichtigen!
Diese Forderung der Organisationsentwicklung ist sichtlich ein Erbe des
Human Relations-Ansatzes. Die Organisatoren der klassischen Organisationslehre
haben sich wenig Gedanken darüber gemacht, wie denn die Mitglieder auf
Änderungen der Strukturen reagieren würden. Doch inzwischen hat man erkannt,
dass die Motivation und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter auch positive
ökonomische Effekte hervorbringen können, daher erscheint die dritte
Voraussetzung auch bei grundsätzlich tayloristischer Gesinnung von einigem
Sinn zu sein.
Um die Mitglieder, die Führungskräfte und die Experten
einer Organisation zur Zusammenarbeit zu bewegen, sind temporäre
Einrichtungen wie z.B. Projektorganisationen von Nöten!
Diese Forderung erinnert stark an die Betroffenenbeteiligung. Auch hier
geht es darum, durch Formalismen die Legitimation des partizipativen
Gestaltungsprozesses dahin gehend abzusichern, dass die asymmetrische
Machtverteilung in der Organisation der unbändigen Manipulation nicht Tor
und Fenster öffnet.
Die an der Reorganisation Beteiligten müssen zu teamfähigem Verhalten
fähig sein, um machtpolitische Bestrebungen einzuschränken!
Diese Forderung liegt erneut auf der Linie der ersten und vierten Voraussetzung.
Doch statt Formalismen vorzugeben, wird hier direkt das Verhalten der Mitglieder
einer Organisation im positiven Sinne manipuliert. Wie bereits früher erwähnt,
war dies die ursprüngliche Absicht des Ansatzes der Organisationsentwicklung,
und kann durch entsprechende Schulung erreicht werden.
Die nun folgende Liste von Bausteinen, die helfen sollen, die einzelnen Phasen
der Organisationsentwicklung gemäss ihrer Voraussetzungen (v.a. die zweite
Voraussetzung!) zu erfüllen, erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.
Für einen kompletten Baukasten sind in Zukunft noch viele Bausteine weiter
zu entwickeln.
Allgemein können die Instrumente im Rahmen eines Konzepts von Heinz Schnelle
eingesetzt werden, welches besonders die vierte und fünfte Voraussetzung der
Organisationsentwicklung 5 berücksichtigt. Das sogenannte Teamkonzept
sieht dazu eine spezielle Projektorganisation vor, die sich v.a. zur
Organisationsentwicklung eignet.
Es werden dabei die folgenden Gruppen unterschieden:
-
Entscheidungsgruppe: Diese Gruppe besteht aus Managern und
Repräsentanten der Planungsgruppe. Sie trifft alle Entscheidungen, wobei
die jeweiligen Kompetenzen vorher genau festgelegt wurden. Die
Entscheidungsvorschläge erhält sie von der Planungsgruppe.
-
Planungsgruppe: Diese Gruppe besteht aus Repräsentanten der betroffenen
Abteilungen. Kommen mehr als acht Personen zusammen, werden Teilteams gebildet.
I.d.R. werden die Repräsentanten während der Projektdauer von ihrer
normalen Arbeit freigestellt, damit sie sich voll auf das Durchführen der
einzelnen Reorganisationsphasen (bis auf die Implementierungsphase)
konzentrieren können.
-
Informationsgruppe: Diese Gruppe besteht aus den Betroffenen,
die sich in grösseren Abständen trifft, um von der Planungsgruppe über
den Reorganisationsprozess informiert zu werden. Sie kann aber auch selbst
Vorschläge an die Planungsgruppe weitergeben.
Zur Ist-Analyse einer Organisation ist es unverzichtbar zu wissen, wie sich
deren derzeitige Struktur auf die Motivation und die Arbeitszufriedenheit der
Mitglieder auswirkt.
Als mögliche Erhebungsverfahren bieten sich dazu an:
-
Job-Diagnostic-Survey von Hackman und Oldham: Über einen Fragebogen
wird (a) die extrinsische Arbeitszufriedenheit (Bezahlung,
Aufstiegsmöglichkeiten, Führung usw.), (b) der realisierbare Grad der
Selbstverwirklichung und (c) die intrinsische Arbeitszufriedenheit
(Varietät, Identität, Feedback, Autonomie) erhoben.
- Rating-Skalen.
- Job-Characteristic-Inventory.
- ETHICS von Mumford/Weir: Fit-Findung zwischen Aufgabenstruktur und Bedürfnissen.
- strukturierte Beobachtung.
- Taylors Gruppeninterview.
Die Organisationsentwicklung verlangt, dass die Befragten vorher wissen,
zu welchem Thema sie befragt werden. Ausserdem sind sie an der Interpretation
der Ergebnisse - welche die Schwachstellen in der Ist-Organisationsstruktur
aufdecken sollen - zu beteiligen.
In der Ist-Analyse wurden Mängel in der Struktur der Organisation
aufgedeckt, die nun durch den Reorganisationsprozess beseitigt werden
sollen. Dazu müssen zuvor geeignete Ziele definiert werden, was mit den
ersten vier Schritten des BASIC-Verfahrens (Benefit Assessment for
System Inter-Change) von Mumford erreicht werden kann:
- Identifizierung aller Interessengruppen.
- Ziele jeder Interessengruppe bezüglich der Ist-Analyse formulieren.
- die Gewichtung der Ziele.
- Abschätzung des aktuellen Zielerreichungsgrades und Soll-Ziel-Formulierung.
Wichtig dabei ist, dass sich die verschiedenen Interessengruppen noch
nicht auf bestimmte Ziele einigen müssen. Durch die dadurch gegebene
Zielvielfalt können alternative Lösungen leichter generiert werden.
Diese Phase ist von zentraler Bedeutung, damit die Partizipation der
Betroffenen realen Einfluss auf die Entscheidungen erlangen kann. Um
Grobkonzepte zu generieren, die die aufgestellten Ziele erreichen können,
werden für gewöhnlich Kreativitätstechniken wie z.B.
Brainstorming oder REFA-Techniken eingesetzt. Bei entsprechender Schulung der
Nicht-Experten, die häufig von dem Unternehmen selbst durchzuführen
ist, da das Marktangebot in der partizipativen Richtung knapp ist, sind aber
auch innovativere Strategien zur Entwicklung alternativer Lösungen
möglich, so z.B.:
-
die Technik von Mumford und Weir, bei der aus Problemen zuerst Teilprobleme
isoliert werden, zu denen Alternativlösungen gefunden werden sollen.
Anschliessend lassen sich diese dann zu alternativen Komplettlösungen
kombinieren.
-
die Koordinationsstrategien von Galbraith, die Alternativen daraus
schöpfen, dass Koordinationsinstrumente nicht nur z.B. durch
Informationssysteme gesteigert werden können, sondern durch erhöhte
Autonomie der Stellen, grösseren Ressourcenpool usw. auch reduzierbar
sind.
-
die Technik von Hackman und Oldham, die bei jeder organisatorischen
Änderung zu klären sucht, in wieweit dies auf den intrinsischen
Gehalt der Arbeit wirkt. So steigert die Aufgabenzusammenlegung z.B. die
Varietät, mildert dafür aber die Identität, und durch
intensivere Output-Abnehmer-Beziehungen lässt sich mehr Feedback
realisieren. Hier ergeben sich eine Menge organisatorische Spielräume, die
durch alternative Grobkonzepte angegangen werden können.
Die alternativen Grobkonzepte müssen dahin gehend untersucht werden, in
wieweit sie die aufgestellten Ziele zu erfüllen vermögen, d.h., der
Zielerreichungsgrad jeden Konzepts ist durch die Betroffenen abzuschätzen.
Üblicherweise geschieht dies durch Nutzen-Analysen der folgenden Form: Die
Kriterien jeder Alternative werden auf ihren Nutzen hin geschätzt,
bekommen also einen Punktwert (z.B. von 1 bis 5) zugewiesen. Diese Punkte
werden gewichtet und pro Alternative aufaddiert. Auf diese Weise erhält
man am Ende einen "objektivierten" Punktesieger.
Diese Technik kann allerdings noch verbessert werden, wie die letzten Schritte
des BASIC-Verfahrens zeigen. Um die Subjektivität bei der Punktevergabe zu
mildern, werden pro Alternative jeweils optimistische und pessimistische
Punktewertungen abgegeben. Statt eines klaren Punktesiegers gibt es dann mehre
gleichwertige Alternativen, was eine Konsensbildung von den verschiedenen
Interessengruppen abverlangt.
Generell lässt sich zu solchen Punktesystemen sagen, dass sie
die subjektive Bewertungsart in gewisser Weise objektivieren können,
dass sie dabei aber mehr Wissenschaftlichkeit vorgeben, als ihnen zusteht.
In der vierten OE-Phase wurde ein Grobkonzept ausgewählt - nach Schnelle von der
Planungsgruppe. Nun liegt es bei der Entscheidungsgruppe, dieses Grobkonzept zu
detaillieren und anschliessend zu implementieren. Spezielle OE-Instrumente
sind hierbei nicht von Nöten, denn die Rolle der Betroffenen
beschränkt sich in dieser Phase weitgehend auf die der kritischen
Beobachter; die eigentliche Implementierung obliegt den Organisationsexperten.
In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass die Organisationsstruktur
Einfluss auf das Verhalten der Organisationsmitglieder hat. Will man also
das Verhalten der Mitglieder dauerhaft ändern, so macht dies eine
Änderung der Strukturen nötig.
Eine strukturelle Organisationsentwicklung kann bei der Gestaltung nicht
von absoluten Empfehlungen ausgehen, sondern ist abhängig
davon, dass es Gestaltungsspielräume gibt. Wie wir gesehen haben,
sind diese stets gegeben.
Damit machtpolitische Bestrebungen eine Partizipation der Betroffenen an
Gestaltungsprozessen nicht untergraben können,
müssen formale Regeln/Absicherungen geschaffen werden, um diese zu
unterbinden. Solche Formalismen können z.B. Projektorganisationen sein,
die ihrerseits wiederum bestimmte Instrumente und Methoden verlangen, um
effektiv sein zu können. Wir haben für alle fünf Phasen der Reorganisation
solche Instrumente kennengelernt.
Natürlich verhindern auch diese formalen Massnahmen nicht vollständig,
dass die Partizipation der Betroffenen Restriktionen unterliegt. V.a. erlauben
die in den ökonomischen und sozialen Wissenschaften zwangsläufig unexakten
Methoden immer Manipulationen, die der jeweils Mächtigere für sich
ausnutzen kann. Anderseits verspricht das Konzept der strukturellen
Organisationsentwicklung einigen Erfolg - wirtschaftlich wie human -,
sodass man sich für die Zukunft nur wünschen kann, dass Experten, Führungskräfte
und Betroffene zu einer grundsätzlichen Vertrautheit finden können, die
dem Ansatz der Organisationsentwicklung der partizipativen Gestaltung
reale Chancen einräumt.