Organisationskultur
Geschwurbel von Daniel Schwamm (05.10.1994)
Für mündliche Prüfung bei Alfred Kieser
Gut, mein Vortrag befasst sich mit der
Organisationskultur. Die war zwar bereits Thema der Vorlesung, aber ich hoffe,
noch ein paar Aspekte gefunden zu haben, auf die wir in der Vorlesung nicht so
intensiv eingegangen sind. Meine hier vorgetragene Kritik der
Organisationskultur basiert dazu im Wesentlichen auf einem Artikel von Hans
Wichert in der Zeitschrift für das Wirtschaftsstudium.
Okay, Organisationskultur. Zunächst können wir
feststellen, dass es zwei verschiedene Ansätze gibt, mit denen die
Organisationskultur definitorisch erfasst werden kann: Den instrumentellen
Ansatz, der die Organisationskultur als eine manipulative Grösse
innerhalb der Organisation betrachtet, und den sozialkonstruktiven Ansatz, der
die Organisationskultur als ein "natürliches" Sinnsystem begreift, wie es
in jedem sozialen Systemen "von alleine" entsteht, d.h. durch Interaktionen,
Machkämpfe, Konflikt-Austragungsverhalten usw. Die Kommunikation ist
hierbei das tragende Element der Kultur, wobei sich stets so
typisch-symbolische Akteure wie "Priester", den man alles anvertrauen kann,
"Spione", denen man besser nichts anvertraut, "Klatschbasen" u.ä.
herauskristallisieren.
Ich möchte hier beide Ansätze nebeneinander stehen
lassen, aber noch einmal kurz verdeutlichen, dass der instrumentelle Ansatz
die Organisationskultur als etwas ansieht, das durch rationale Prozesse
manipuliert und also gesteuert/gelenkt werden kann. Der sozialkonstruktive
Ansatz dagegen behauptet eher das genaue Gegenteil: Hier ist die
Organisationskultur ein Netzwerk, ein gewachsenes Sinnsystem, welches von
Symbolen, Werten, Ängsten, Wünschen und Normen aller
Organisationsmitgliedern getragen wird, die in ihrer Summe niemals in
deterministischer Weise zugänglich sind. Das rückt die
Organisationskultur in den Bereich der autopoietischen Systeme, denen ja die
Fähigkeit zur Selbstorganisation innewohnt.
Na gut, bevor ich die Organisationskultur kritisiere, kann man
zuerst die Frage stellen, was für ein Ziel die Organisationskultur
eigentlich hat, wenn sie bewusst als Instrument zum Einsatz gebracht wird,
also dem instrumentellen Ansatz folgt. Die Antwort ist, dass sie durch
ihre Einflussnahme auf die bestehenden Werte und Normen der Organisation
die Organisationsrealität dahin gehend ändern soll, dass die
Mitglieder auch ohne formale Richtlinien in der Lage sind, sich gegenseitig zu
motivieren und zu koordinieren, um so ein Leistungsmaximum zu erbringen. Zur
Kultur gehören dabei spezielle Gepflogenheiten, wie z.B. sprachliche
Regelungen, die es verbieten, Misserfolge offen auszusprechen, und diese
stattdessen mit Euphemismen wie "Minuswachstum" zu kaschieren. Manager umgeben
sich mit Statussymbolen, wie Grossraumbüros, die von den Mitarbeitern
als deutliche Attribute der Macht verstanden werden sollen. Aufkleber machen
die Runde, mit denen ein Wir-Gefühl geschaffen werden soll. So etwas habe
ich z.B. bei meinem Praktikum bei Mercedes Benz erlebt, wo der Aufkleber "Wir im
Produktionsbereich Omnibus" kursierte.
Aber gut, kommen wir nun zu der Kritik der
Organisationskultur. Ich beginne dazu zunächst mit einer Kritik an der
Theorie der Organisationskultur an sich.
Meistens wird hier die Organisationskultur als ein Ganzes
betrachtet, d.h. der Beitrag der verschiedenen Symbolen und Werten, die die
Organisationskultur ausmachen, wird nicht im Einzelnen erhoben, ihr
Wirkungsgefüge also nur einfach behauptet, aber nicht im Detail empirisch
geprüft. Auf diese Art und Weise lassen sich aber keine sinnvollen bzw.
unsinnigen Symbole herausarbeiten. Auch wird nicht erfasst, inwieweit
die Intervention die Mitglieder der Organisationen in gewünschter Weise
beeinflusst, oder ob sie die Mitglieder überhaupt auf Dauer zu
beeinflussen vermag. Die Absicht hinter diesem laxen Umgang mit
wissenschaftlichen Methoden ist eigentlich klar: Die Verfechter der
Organisationskultur versuchen, das Konzept vor einer möglichen
Falsifikation zu schützen.
Die eine Organisationskultur, die optimale Ergebnisse
hervorbringt, gibt es nicht, ebenso wenig wie es den einen Führungsstil
oder die eine Organisationsstruktur gibt. Dennoch neigen die Praktiker dazu,
die Organisationskultur erfolgreicher Unternehmen 1:1 zu übertragen, ohne
dabei den kulturspezifischen und situativen Besonderheiten Rechnung zu tragen.
Dies birgt einige Probleme in sich. Ein situativ-unabhängiger Fit zwischen
Organisationskultur und den gegebenen Organisationsstrukturen,
Führungsstilen, Produktions-Programmen usw. darf nicht einfach
vorausgesetzt werden. Und ein harmloses morgendliches
Begrüssungsritual z.B., bei dem jeder dem anderen die Hand
schüttelt, könnte im südostasiatischen Raum schon auf arge
Befremdung stossen, da es dort als sozialer Regelverstoss gilt, einer
Frau die Hand zu reichen. Weitere Beispiele für kulturelle Unterschiede,
die es zu beachten gilt, sind z.B., dass das Kopfnicken in Bulgarien eine
andere Bedeutung hat als bei uns. Oder: Deutsche sparen nicht an Gestik, was
Skandinavier leicht als Nervosität interpretieren können. In Japan
gilt der direkte Augenkontakt als unhöflich, in Amerika wird er erwartet.
In Südamerika gilt man erst als verspätet, wenn man 45 Minuten zu
spät kommt.
Die Binnenkultur eines Unternehmens wird immer auch durch die
Umweltkultur beeinflusst. Aber dieser Zusammenhang wird in den Konzepten
der Organisationskultur kaum systematisiert, auch wenn er wohl intuitiv oder
vom gesunden Menschenverstand her erkannt wird. Das der Umweltschutz z.B. ein
wichtiger Wert in der Gesellschaft geworden ist, wissen die Manager eines
Unternehmens natürlich. Aber inwieweit das Umweltbewusstsein die
Werte einer Organisation infrage stellen kann, wird nicht näher
analysiert. Dieses Wissen wäre aber sicherlich sinnvoll, bevor man eine
Änderung der bestehenden Organisationswerte vornimmt.
Die Manager neigen auch dazu, eine generelle
Organisationskultur zu schaffen, die im ganzen Unternehmen Gültigkeit
besitzt. Doch in einem Unternehmen gibt es immer auch Subkulturen, da es
verschiedene Bereiche mit verschiedenen Zielsetzungen gibt. Während die
Forschungsabteilung ein modernes Auto entwickeln will, verlangt die
Vertriebsabteilung z.B. ein möglichst billiges Fahrzeug, das sich leicht
verkaufen lässt. Solche differenten Zielsetzungen lassen sich nur
über sehr allgemein gefasste Leitbilder u.ä. unter einen Hut
bringen, was der generalisierten Organisationskultur eine etwas vage
Ausprägung verpasst. Aus einem offenen Leitwert, wie "Wir wollen die
Nummer Eins im Versicherungsgewerbe werden", lassen sich kaum praktische
Handlungsanweisungen gewinnen.
Um die potenzielle Wirkung der Organisationskultur erkennen zu
können, ist es nötig, die Unternehmensgenese, also die
Entstehungsgeschichte des Unternehmens, zu betrachten. Aber auch das wird nur
in den seltensten Fällen gemacht. Wie schon erwähnt neigen die Manager
eher dazu, die Kulturen erfolgreicher Organisationen mehr oder weniger
unreflektiert direkt zu übernehmen. Wenn Qualität ein Markenzeichen
von Mercedes Benz ist, sollte dieser Wert nicht so schnell relativiert werden,
nur weil ein anderes Unternehmen mit Quantität besser gefahren ist.
Bei der bewussten Initialisierung von
Organisationskulturen stossen wir auf eine weitere Schwierigkeit: Die
ökonomischen Voraussetzungen dafür müssen gegeben sein, denn
kulturelle Zutaten gibt es nicht für umsonst. Natürlich kann sich
eine "eingeschworene" Wertegemeinschaft nur dann herausbilden, wenn die
Fluktuation im Betrieb niedrig ist. Man kann also sagen, dass feste
Arbeitsverhältnisse eine Voraussetzung für Organisationskulturen
sind. Und daraus folgt wiederum die interessante Aussage, dass
Organisationskulturen nicht den Erfolg einer Organisation bedingen, wie von den
Organisationskultur-Theoretikern so gerne behauptet wird, sondern das der
Erfolg erst die Entstehung von Organisationskultur ermöglicht!
Gut, ich komme jetzt zur Kritik des Kulturmanagements, welches
üblicherweise von den Managern in Rahmen der Organisationskultur-Schaffung
vorgesehen ist, um die Organisationsmitglieder in die gewünschte Richtung
zu lenken.
Zunächst eine generelle Kritik zu diesem Vorhaben: Wenn
wir von dem sozialkonstruktiven Ansatz der Organisationskultur ausgehen, dann
sind die Einflussmöglichkeiten des Managements auf die
Organisationskultur per Definition bereits beschränkt. Nach dem Modell der
autopoietischen Systeme entsteht die Organisationskultur nicht durch rationale
Prozesse, sondern vielmehr durch "spontane Ordnung", Intuition und
evolutionären Trial-and-Error-Verfahren. Innerhalb eines solchen Systems
können die Manager bestenfalls Rahmenbedingungen schaffen, die die
Entstehung von "guter" Organisationskultur begünstigt, was aber teuer und
sehr zeitintensiv werden kann. Das gilt insbesondere für Experten von
aussen, die über die innerbetriebliche Kultur noch viel weniger
Bescheid wissen, als die lokalen Manager.
Bleiben wir aber beim Kulturmanagement. Hier wird massiv der
Mythos von den Managern als Übermenschen zelebriert, während von dem
System der Organisation, das ja ebenfalls ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist,
abstrahiert wird. Erfolge sollen dadurch alleine den Managern zugeschrieben
werden. Das solchermassen personalistisch gefärbte Kulturmanagement
hebt dadurch wieder die längst verworfene Eigenschaftstheorie aus der
Taufe.
"Werdet wie die Manager!" Das ist die Aufforderung, die hinter
der symbolischen Führung steht. Dadurch wird der Pluralismus der Werte in
der Organisation aufgehoben. Gültig sind nur noch die Werte, die die
Führung sich erdacht hat, die sie auch alleine definiert und gestaltet
hat. Das ist das Ende des Koalitionsmodell, wie es Cyert und March für die
Organisation vorschwebte, denn die Organisationsmitglieder verzichten dadurch
ja - ohne Side-Payments zu erhalten - auf ihre eigenen Ziele!
Wenn nun aber die Führungsschicht ohne Partizipation der
Betroffenen die Werte und Normen bestimmt, überschreitet sie schnell ihre
Kompetenzen. Wie soll sie auch wissen können, was "gut" ist für den
Einzelnen? So driften geschaffene Ist-Kultur und wünschenswerte Soll-Kultur
rasch auseinander, und Rollenkonflikte und -Ambiguitäten sind die
nächste Folge.
Hinter dem Kulturmanagement steht der Glaube der Manager,
dass die Organisationskultur dem Erfolg eines Unternehmens in geradezu
monokausaler Weise förderlich ist. Hans Wichert hat jedoch hierzu ein paar
empirische Befunde vorgelegt, die diesen Glauben ad absurdum führen. So
zeigte eine Untersuchung von erfolgreichen Unternehmen, dass die Strategie
als der mit Abstand wichtigste Erfolgsfaktor empfunden wurde, während die
Organisationskultur - wie übrigens auch die Organisationsstruktur - nur
eine untere Mittelposition einnahm. Leider hat sich Wichert in dem Artikel
nicht über die Rahmenbedingungen dieser empirischen Untersuchung
ausgelassen, sodass ich nicht prüfen konnte, inwieweit dabei
Manipulationsspielräume gegeben waren. Ich muss zugeben, wenn ich
die Untersuchung vorgenommen hätte, wären den Organisationsstrukturen
wohl mehr Gewicht für den Erfolg eines Unternehmens zugefallen.
Gut. Ich komme nun zum vielleicht schwerwiegendsten Kritikpunkt
der Organisationskultur: Sie kann sehr innovationsfeindlich sein. Letztlich
wird die Kultur ja dadurch erschaffen, dass wieder und wieder die
erfolgreichen "Taten" der Vergangenheit hervorgehoben werden. Dieses Verhalten
verfestigt natürlich bestehende Strukturen, wirkt konservierend, zumal auch neue
Mitarbeiter nach diesen Kriterien ausgewählt und eingesetzt werden.
Beispielhaft kann man hier die Kultur der Zünfte oder auch die des
Beamtenwesens zu nennen, die sich nicht gerade durch Flexibilität und
Innovationsfreudigkeit auszeichnen.
In Krisenzeiten kommt es durch die einengende
Organisationskultur u.U. zu dem paradoxen Verhalten, dass sich jeder
sklavisch an die Normen und Regeln hält, obwohl gerade dann eine
Änderung des Verhaltens dringend von Nöten wäre, da sich der
Kontext geändert hat. Die Enttäuschung, wenn auch die 100%ige
Einhaltung der Werte nicht den gewünschten Erfolg bringen, wenn also der
Placebo-Effekt verrauscht ist, kann ausserordentlich demotivierend sein.
Kulturelle Werte werden dann häufig nur noch in stark ironisierter Form
vorgetragen, wie ich es z.B. auch beim oben erwähnten "Wir im
Produktionsbereich Omnibus" erlebt habe.
Die Organisationskultur erhöht auch die Gefahr, dass
Organisationen immer mehr zu geschlossenen Systemen werden, die sich nur noch
mit der nach innen gerichteten PR-Strategie beschäftigt, und dabei
jegliche Impulse von Aussen filtern. Eine Änderung einer solchen
Kultur kann dadurch sehr langwierig ausfallen. Nur als Beispiel: Z.T. werden
die Unternehmen der ehemaligen DDR noch heute behandelt, als würden sie
sich im Ausland befinden, da deren Arbeiterkultur von der unseren in vielen
Punkten abweicht; so soll dort etwa die Eigenverantwortung der Arbeiter noch
immer eher unterrepräsentiert sein.
Die Organisationskultur birgt die Gefahr in sich, zur
totalitären Ideologie zu verkommen, in der die Organisationsmitglieder
gewissermassen mit Haut und Haaren zu Objekten reduziert werden, die es zu
steuern und zu kontrollieren gilt. Neuberger spricht in diesem Zusammenhang
auch von der Herrschaft dritten Grades, die unter einem Deckmantel der Harmonie
verschleiert ist, im Gegensatz zur Herrschaft zweiten und dritten Grades -
direkte Befehle und Sachzwänge - die für den Beherrschten transparent
sind. Die Vereinnahmung des ganzen Menschen, ohne das es diesem Menschen
überhaupt bewusst wird, ist moralisch-ethisch eigentlich nicht zu
vertreten, und wohl auch kaum die Absicht der Verfechter der
Organisationskultur. Das Faktum der Gefahr des Missbrauchs
lässt sich aber dennoch nicht von der Hand weisen.
Auch die Art und Weise, wie die Werte der Manager in die
Organisation eingeführt werden, ist kritisch zu prüfen. Da werden
Interessensvertreter, wie z.B. Betriebsräte und Gewerkschaften, schnell zu
Feindbildern stilisiert, da gibt es Werte-Drill bis hin zum Brainwashing, und
Organisationsmitglieder werden vor die Wahl gestellt, entweder die Werte so wie
sie sind anzuerkennen oder ganz aus dem Unternehmen auszuscheiden. Ich habe in
dem Zusammenhang von einem Fall gehört, wo ein Arbeitnehmer aus
Disneyland nur deswegen ausgestiegen ist, da er gezwungen wurde, stets ein
Lächeln zur Schau zu tragen, auch wenn ihm gar nicht nach Lachen zumute
war.
Auf einige weitere Kritikpunkte gehe ich nicht mehr ein, da
diese bereits in der Vorlesung behandelt wurden, wie z.B. das Phänomen,
dass Mitglieder einer Organisation sich an eine Organisationskultur so
sehr gewöhnen können, dass sie für andere Organisationen
für immer "verdorben" sind.
Gut. Man muss sagen, auch wenn Wichert die
Organisationskultur als wenig sinnvolles Konzept erachtete, bietet sie dennoch
einige positive Potenziale. Ich habe hierzu in verschiedenen Quellen Beispiele
gefunden, die ich jetzt einmal kurz darlegen will.
Als Alternative zum globalen Kulturmanagement, das auf Kosten
der pluralistischen Wertestruktur geht, kann man sich vorstellen, dass es
eine kulturelle Selbstorganisation gibt, die ihre eigenen Werte herausbildet,
die mit einer rein ethische Fremdorganisation einhergeht. Eine solcher
ethischer Wert könnte dann z.B. geradezu die Partizipation der Mitarbeiter
fordern. Bei HP ist es etwa ein Grundsatz, alle Betroffenen an der Zielsetzung
zu beteiligen, wozu periodisch Umfragen - "Der Mitarbeiter hat das Wort" -
vorgenommen werden. Auch beim Flugsicherungsunternehmen Swisscontrol werden
regelmässig Workshops ins Leben gerufen, die das Thema behandeln:
"Wie realisiere ich das Leitbild in meinem Bereich?"
Ein weiteres Betätigungsfeld der Organisationskultur
ergibt sich auch durch die Notwendigkeit des organisatorischen Lernens, wie
Propst es herausstellt. Die tayloristische Art des Organisierens wird derzeit
ja vielfach angegriffen, da sie zu unflexibel ist, um der heutigen dynamischen
Umwelt gerecht zu werden, selbst wenn mit Puffern und Stäben gearbeitet
wird. Ja, z.T. wird die Notwendigkeit von Strukturen sogar generell infrage
gestellt. Das Unternehmen 3M z.B. behauptet, Strukturen seien für sie ohne
Belang, dort sei alles im Fluss, jeder Mitarbeiter könne zwischen den
Divisionen hin und her springen. Aber die modernen, evolutionären Konzepte
der Selbstorganisation, die jeden Rationalismus als Einengung der Varietät
verstehen, bewerten das Ziel der Flexibilität eindeutig zu hoch, und das
geht auf Kosten der Identität.
Luhmann hat gezeigt, dass ein System, welches keine
Abgrenzung von der Umwelt vornimmt, d.h. jeden Impuls von der
äusseren Umwelt 1:1 übernimmt, früher oder später
selbst zur Umwelt wird, d.h. sein Systemdasein beenden wird. Die Abgrenzung von
der Umwelt ist also für das Überleben des Systems notwendig; sie
geschieht i.d.R. durch eine rationale Selektion, d.h. es werden nur ganz
bestimmte Impulse vom System aufgenommen, während der Rest ausgefiltert
wird. Diese rationale Selektion lässt sich dabei auf zweierlei Arten
erreichen: Durch die Organisationsstrukturen, die derzeit aber eher abgebaut
werden sollten, und durch die Organisationsmitglieder, die man dazu aber
entsprechend "kulturell" qualifizieren muss. Die Organisationskultur
erhält damit den bemerkenswerten Status einer Art Meta-Steuerung, die
zwischen den tayloristischen Systemen und den blind-evolutionären Systemen
vermitteln kann.
Auch hierzu habe ich ein Beispiel gefunden: Die Schaffung von
Leitbildern, die als permanente Werte in des Unternehmens gelten und ihr damit
eine gewisse Identität verleihen, können ein rationales
Selektionskriterium für die Organisationsmitglieder sein. Und dabei ist es
die Aufgabe der Organisationskultur, eben diese Leitbilder in die Köpfe
der Mitglieder zu transformieren. ABB z.B. lässt dazu sogenannte
"Mind-Maps" anfertigen. Das sind Bilder, die visualisieren, wie sich ein
Leitwert, wie z.B. "Wir fördern die Mitarbeiterentwicklung", realisieren
lässt. Solche Bilder sind sehr einprägsam, und können
sogar, je nach künstlerischer Gestaltung, geradezu eine Art Schockwirkung
besitzen. Als Beispiel war in dem zugehörigen Artikel aufgeführt, wie
sich die Welt aus Sicht des Bruttosozialprodukts präsentiert: Die USA
waren riesig, Südamerika winzig, und Russland so gross wie
Japan.
So, das war es von meiner Seite. Und ich hoffe, es waren noch
ein paar Punkte dabei, die Sie nicht zum hundertsten Mal gehört haben.