Organisationsstrukturen
Geschwurbel von Daniel Schwamm (01-02/1994)
Inhalt
Diese Arbeit will helfen, den Begriff "Organisation" zu verstehen. Sie will
Unterschiede aufzeigen, die zwischen verschiedenen Organisationen und deren
(formalen) Strukturen zu beobachten sind. Und sie will Gründe dafür
benennen, warum eine Organisation unter bestimmten Bedingungen in einer
Erscheinungsform eher auftritt, als in einer anderen, warum also z.B. im
Finanzamt stärker bürokratisierte Strukturen vorherrschen als in
Werbeunternehmen.
Laut Coleman sind Organisationen Ressourcenpools, die dadurch entstehen,
dass Individuen einen Teil ihrer Ressourcen (z.B. Geld, Arbeitskraft,
Arbeitslust und Rechte) einer zentralen Disposition unterstellen. Daraus folgt,
dass Individuen in mehreren Organisationen Mitglieder sein können, je
nachdem wie sich sich selbst aufteilen wollen. Ausserdem wird deutlich,
dass die Aktivität der Individuen nicht nur durch die Organisation,
sondern auch durch den vorherrschenden Markt koordiniert wird, denn da dem
Individuum Alternativen zur Verfügung stehen, hat es die Freiheit zu
wählen, wo es seinen Aktivitäten einbringen will.
Nach Kieser (1993) sind Organisationen in erster Linie soziale Gebilde, also
eine Art Kommunikationsumgebung für Menschen, die dauerhaft ein oder
mehrere Ziele verfolgen und über eine formale Struktur (und meistens auch
über eine informale Struktur) verfügen, mit deren Hilfe die
Aktivitäten der Mitglieder auf die verfolgten Ziele hin ausgerichtet
werden können.
Im grösseren Umfang existieren Organisationen erst seit ca. 200
Jahren. In archaischen Gesellschaften gab es zwar
gesellschaftlich-verwandtschaftliche Strukturen, jedoch keine organisatorischen,
da hier jeder mehr oder weniger alles Selbst machen musste und diesen
Verhältnissen auch nicht so ohne Weiteres entrinnen konnte - zumindest
nicht ohne gewaltigen Ärger von seinen Stammesgenossen zu bekommen. Im
Mittelalter gehörten die Arbeitskräfte ebenso noch nicht sich selbst,
sondern den Feudalherren - einem Drückeberger ging es hier noch viel, viel
schlechter als in den archaischen Gesellschaften. Auch den Zünften, den
moralisch geläuterten Gewerbegemeinschaften der aufstrebenden Städte,
fehlte es noch deutlich an Freiwilligkeit, und ein Privatleben konnten die
Mitglieder dort ebenso nicht für sich beanspruchen. Wer die Wächter der Zunft
verärgerte, weil er z.B. seiner Ehefrau nach einem Ehebruch verzieh, flog
sofort raus. Mit den Manufakturen des 18. Jahrhunderts entstanden dann
jedoch Wirtschaftsgemeinschaften, die man als die ersten richtigen Organisationen
bezeichnen kann, da hier ein Austritt der Mitglieder im Prinzip jederzeit
möglich war.
Nach Kieser setzten sich die "richtigen" Organisationen am Anfang nur relativ
langsam durch, denn die nötigen äusseren Bedingungen waren für
sie im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit noch nicht geschaffen (z.B. gab
es keine geregelte Ausbildung, keinen Arbeitsmarkt, kein Vertragsrecht und keine
Sonderurlaubsregelungen). Ausserdem waren bestimmte soziale, politische oder
religiöse Aufgaben noch nicht vom Staat institutionalisiert worden,
mussten also noch von den Wirtschaftsgemeinschaften übernommen werden.
Davon wollten und wollen "richtige" Organisationen nichts hören. Da sie sich
im Laufe der Zeit jedoch als ökonomischer und flexibler erwiesen haben als
z.B. die starren Zünfte mit ihren ehernen Gesetzen, gewannen sie
schliesslich doch noch als Einzige den "Kampf ums Dasein", wie es Darwin
ausdrücken würde.
Nach der Definition von Kieser gibt es 5 Begriffe, die als Merkmale von
Organisationen gelten können. Diese werden wir uns nun einzeln
ansehen.
Organisationen sind zielgerichtet, sie haben einen Zweck (z.B. den,
möglichst viel Kohle, sprich: Gewinn zu machen). Die Organisationsziele
unterscheiden sich von den persönlichen Zielen ihrer Mitglieder, von denen
der Gesellschaft und des Wirtschaftssystems insgesamt, müssen diese aber
bis zu einen gewissem Grad mitberücksichtigen. Ein Unternehmen, das
weisse Hemden garantiert, dabei aber schwarze Flüsse produziert, wird
seine Ziele mehr auf die Umwelt ausrichten müssen, will es nicht Gefahr
laufen, per Gesetz verboten zu werden.
Meistens haben Organisationen nicht nur ein Ziel, sondern gleich ganze
Zielbündel vorrätig, die sie erreichen wollen. Üblicherweise
werden solche Zielbündel nicht-operational gehalten ("Wir wollen unseren
Marktanteil ausweiten"). Falls sie doch operationalisiert sind, so meistens nur
in Form von Zufriedenheitsniveaus ("Wir wollen einen Marktanteil von 5% im
nächsten Jahr erreichen").
Die Ziele einer Organisation können sich ändern, jedoch
dürfen sie nicht von vorneherein auf Kurzfristigkeit hin ausgelegt sein.
Denn Ziele dienen dazu, die Leistung und das bestehende Herrschaftssystem
langfristig zu sichern - politische Zickzack-Kurse garantieren höchstens
einen Crash mit verwirrten Mitgliedern.
Eine Organisation benötigt Mitglieder, die fleissig ihre
Ressourcen einbringen, damit sie bestehen kann. Die Frage aber, wer nun als
Mitglied einer Organisation gelten kann und wer nicht ist gar nicht so einfach
zu beantworten, wie man als unbedarfter Nicht-Organisierter denken könnte.
Sind es Personen
-
die Arbeitsstunden leisten (z.B. auch externe Berater)?
-
die bezahlt werden (dann fallen Freiwillige heraus)?
-
die Entscheidungen beeinflussen (z.B. auch Kunden)?
-
die über Werks-/Arbeitsverträge in die Organisation eingebunden sind?
Cyert und March (die Entscheidungstheoretiker) zählen z.B. Kunden zu
den Organisationsmitgliedern dazu, schliesslich haben sie Einfluss
auf das überleben der Organisation. Kieser sieht die Sache anders: Er mag
es lieber etwas formaler, daher sind für ihn nur diejenigen Mitglieder
einer Organisation, die über Verträge an sie gebunden sind.
Je nach Art der sozialen Gebundenheit an die Organisation unterscheidet Etzioni
- Zwangsorganisationen (z.B. Gefängnisse)
- Utilitaristische Organisationen (z.B. Unternehmen)
- Normative Organisationen (z.B. Kirchen und Pfadfinder-Clubs)
Da Gefängnisse privatwirtschaftlich schwer durchsetzbar sind,
interessieren wir uns hier v.a. für die utilitaristischen Organisationen,
die ihren Mitgliedern eine materielle Entlohnung versprechen, um sie bei der
Stange zu halten. Weil die Organisationskultur angeblich so eine tolle Sache
ist - wir wenden uns ihr später noch zu -, schielen wir mit einem Auge
auch nach den normativen Organisationen, bieten diese doch ein Sammelsurium
von Möglichkeiten zur normativ-ideellen Beeinflussung ihrer Mitglieder.
Je nach Art der vertraglichen Gebundenheit - wir erinnern uns: Das ist
A. Kiesers favorisierte Erkennungsmarke für organisatorische Mitgliedschaft -
lassen sich Mitglieder unterscheiden, die
-
über Werksverträge kurzfristig für konkrete Aufgaben engagiert sind.
-
über Arbeitsverträge in ein festes
Abhängigkeitsverhältniss mit der Organisation getreten sind.
-
über Kauf- oder Kreditverträge nur eine flüchtige
Mitgliedschaft erlangt haben.
Welche dieser Vertragsform das Optimum für die Organisation darstellt,
kann z.B. mittels einer Transaktionskostenanalysen ermittelt werden. Generell
gilt: Die vertragliche Gebundenheit mit der Organisation betrifft stets nur
einen Teil der Persönlichkeit eines Individuums - man kauft es also nicht
mit Haut und Haaren. Es existiert aber neben der expliziten vertraglichen
Mitgliedschaft auch noch eine implizite, die bestimmte Verhaltensschemata der
Mitglieder ganz einfach stillschweigend erwartet, wie z.B. Loyalität
gegenüber dem Arbeitgeber, keine Bombenteppiche im Büro legen
usw.
Die Gesamtheit aller formalen Regeln, die der Arbeitsteilung und der
Koordination mittels diverser Instrumente (wie z.B. dem Hierarchie-Instrument)
dienen, bezeichnen wir als formale Strukturen einer Organisation. Diese
interessieren uns hier ganz besonders, hat man über sie doch die
Möglichkeit, Organisationen in fast objektiver Weise untereinander
vergleichen zu können.
Wir fragen uns daher: Wie kommen formalen Strukturen in einer Organisation
zustande? Laut Gutenberg gibt es in ökonomischen Organisationen den
Produktionsfaktor "Geschäftsleitung", der aus den Kapitaleignern und den
Arbeitgebern besteht, und die Aufgabe hat, Pläne in formale Regeln
umzuformen. Die Geschäftsleitung legt also - v.a. durch Arbeitsteilung und
Delegation, wodurch die Stellen entstehen - die formalen Strukturen einfach
fest.
Nicht immer benötigen jedoch Stellen die Formulierung von formalen
Regeln. Für einige Stellen gibt es (traditionelle) Interaktionsmuster, die
jeder kennt, sodass man sich hier auf die Selbstkoordinierung der
Stelleninhaber verlassen kann. Der Bäcker von nebenan z.B. wird einem
bestimmt keine Stellenbeschreibung seiner Tätigkeit vorlegen
können.
Wie wir gesehen haben, bringen Organisationsmitglieder ihr
Aktivitätspotenzial nicht voll, sondern nur zum Teil in die Organisation
ein. Daher ist es für das Überleben der Organisation nötig, die
Aktivitäten der Mitglieder über die formalen Strukturen zum
wichtigsten Steuerobjekt zu machen.
Zu beachten ist jedoch, dass einige Aktivitäten der Mitglieder
sich der Kontrolle durch die formalen Strukturen entziehen und dennoch dem
Organisationsziel förderlich sein können, so z.B. inoffizielle
Gespräche mit dem alten Schulkumpel aus der Materialversorgung.
Häufig vergessen Organisationstheoretiker diesen Sachverhalt, weil sie
i.d.R. die gleiche Perspektive haben wie die Organisationsleitung, nämlich
die, dass Mitglieder, die private Gespräche führen, die Firma nur Geld
kosten und daher auf die Strasse gesetzt werden sollten. Es bleibt zu
hoffen, dass in Zukunft trotz dieses Manko nicht nur
leistungsorientierte, sondern auch oder vor allem mitarbeiterorientierte
formale Strukturen geschaffen werden.
Jede ökonomische Organisation hat zwei Basisprobleme bei ihrer
Gestaltung zu bewältigen:
-
Der Ressourcenpool muss geleitet werden.
-
Der Ertrag muss verteilt werden.
Zwei polare Gestaltungsformen von Organisationen wären
diesbezüglich z.B.:
-
Die genossenschaftlich-demokratische Organisationsform: Der Ressourcenpool
wird gemeinsam geleitet und über Schlüssel werden alle am Ertrag
beteiligt.
-
Die monokratisch-hierarchische Organisationsform: Der Ressourcenpool wird
nur von einem geleitet und der erhält auch den ganzen Ertrag, während
alle anderen dafür ein festes Einkommen beziehen.
Da die Realität für den Menschen aufgrund ihrer Komplexität
nur selektiv wahrnehmbar ist, stellen Theoretiker, die die Realität
erklären wollen, gerne bestimmte Annahmen auf, die helfen sollen, das
gewünschte Erkenntnisobjekt wie mit einem Scheinwerfer aus der
Realität heraus zu leuchten. Je nach den verwendeten "Scheinwerfer-Funktionen"
spricht man dann von verschiedenen Ansätzen einer Theorie.
Die Organisationstheorie kann gleich fünf solcher
"Scheinwerfer-Funktionen" ihr Eigen nennen: den Bürokratie-Ansatz, den
Organisationslehren-Ansatz, den Human Relations-Ansatz, den
verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie-Ansatz und den Situativen
Ansatz. Wir wollen nun einmal sehen, bei welchem Ansatz das Erkenntnisobjekt
"Organisationsstrukturen" am hellsten hervortritt.
Der Bürokratie-Ansatz wurde von Max Weber entwickelt. Aus seiner
Perspektive ist eine Organisation eine Herrschaftsform, die das Problem hat,
ihre Herrschaft gegenüber den Mitgliedern zu legitimieren. Dies gelingt ihr
am ehesten in Form von Bürokratien, also formalen Strukturen in typischer
Ausprägung, die wie folgt:
-
personenunabhängige Ämter zur Erfüllung bestimmt Pflichten haben.
-
Amtshierarchien besitzen, bei denen in höheren Schichten auch
höher qualifizierte Mitarbeiter zu finden sind.
-
die Aufgabenerfüllung genormten Regeln folgt.
-
alle Vorgänge zu Kontrollzwecken aktenmässig sind.
Bereits Weber hatte erkannt, dass die oben aufgezeigten Merkmale
ausschliesslich zum Erkennen von bürokratischen Strukturen verwendet
werden können (durch ihre Schablonen-Funktion: Wenn alle Merkmale
erfüllt sind, dann gilt Bürokratie, sonst keine Bürokratie). Um auch
andere Organisationsformen beschreiben zu können, müssen die
Weberschen Idealtypen in Variablen transformiert werden. Dies geschieht aber
erst in den nachfolgenden Ansätzen.
Der Organisationslehren-Ansatz folgt Taylor bzw. Fayol. Aus seiner
Perspektive ist eine Organisation ein Aufgabenerfüllungssystem. Sie hat
das Problem zu lösen, technische und ökonomische Funktionen zu
finden, die Managern helfen können, Entscheidungen zu treffen. Es geht
hierbei stets um die Suche nach dem "one best way", also um den einen optimalen
Weg zur Lösung eines Problems. Und davon sind auch die
Organisationsstrukturen betroffen.
Fayol nannte Prinzipien, die jeweils für ein Problem die richtige
Lösung sein sollten. Durch Kombination der Prinzipien entwickelte er
mehrere Strukturtypen wie z.B. "divisionale Organisation" oder
"Projektmanagement", die für eine spezielle Aufgabenstellung über die
jeweils beste Organisationsstruktur verfügen sollten. Dies entpuppte sich
jedoch schon bald als utopisch.
Die Managementlehre gibt keine Auskunft darüber, wie sich Prinzipien,
die ökonomisch sinnvoll erscheinen (z.B. das Einliniensystem oder das
Mehrliniensystem sind die einzig wahren Konfigurationsmöglichkeiten),
langfristig auf die Organisationsmitglieder auswirken. Zudem sind die von ihr
entwickelten Strukturtypen zu polar ausgeprägt, d.h. sie vertreten
entweder das eine Prinzip oder das andere, sind also z.B. nur einlinig oder nur
mehrlinig. In der Praxis herrschen jedoch meistens Mischformen vor.
Unser Fazit: Die Managementlehre kann Organisationsstrukturen über
Strukturtypen besser erklären als das Bürokratiemodell von Max Weber. Um
jedoch der Praxis gerecht werden zu können, ist noch eine weitere
Differenzierung der Organisationsstrukturen nötig.
Dieser Ansatz geht auf die Hawthorne-Experimente von 1939 zurück, die
aufgrund von Placebo-Effekten gezeigt haben, dass der Taylorismus, also der
rein arbeitsorientierte Rationalismus, das menschliche Element zu sehr
ausgrenzt. Organisationen sind Interaktionssysteme, deren Mitglieder
bitteschön motiviert sein wollen, um produktiv zu sein. Die Motivation
wird dabei weniger von der Organisationsstruktur bestimmt, als vielmehr vom
sozialen Umfeld, den Vorgesetzten und den materiellen Anreizen, wie dies
empirische Labortests bewiesen haben.
Daraus folgt für uns, dass dieser Ansatz zur Analyse von
Organisationsstrukturen ebenfalls wenig geeignet ist. Er gibt uns aber über
seine neuartigen, aus der Psychologie entnommen Methoden ein Instrumentarium an
die Hand, mit dessen Hilfe die Zufriedenheit der Mitarbeiter gemessen werden
kann. Ausserdem führt er neue Koordinationsbegriffe, die die formalen
Strukturen betreffen, wie z.B. "Selbstabstimmung" und
"Entscheidungspartizipation nachgeordneter Stellen" ein, die darauf hindeuten,
dass die Organisationsmitglieder in Zukunft verstärkt an der
Strukturgestaltung beteiligt werden sollten (auch wenn dabei den
Mitarbeiterbedürfnissen nicht so viel Gewicht beigemessen werden darf,
dass die Organisation zum Freizeitpark wird).
Innerhalb dieses Ansatzes - das Tummelfeld von Barnard (1919), Simon, Cyert,
March, Olsen und Kirsch - gelten Organisationen als Entscheidungssysteme, die
einer möglichst rationalen Koordination bedürfen. Es wird hier v.a.
die Relation zwischen den Mitgliedern und der Organisationsstruktur betrachtet.
Anders als der Human Relations-Ansatz, der die Struktur den Mitgliedern anpassen
will, fragt der Entscheidungstheorie-Ansatz wesentlich aggressiver: "Wie
erzeuge ich rationales Handeln?" Und: "Wie bringe ich Mitglieder dazu, die
Koordination zu akzeptieren?"
Alle Antworten, die darauf bisher gegeben werden konnten, müssen jedoch
als wissenschaftlich wenig fundiert angesehen werden, denn sie wurden nie
empirisch überprüft. Die Entscheidungstheorie sagt ausserdem
auch nichts darüber aus, mit welchem Verhalten bei welcher
Organisationsstruktur zu rechnen ist. Daraus folgt: Auch dieser Ansatz hilft
uns nicht weiter bei der Analyse gegebener Organisationsstrukturen. Bleibt nur
der Situative Ansatz übrig - hoffentlich haben wir da mehr Glück.
Der Situative Ansatz wurde von Staehle 1973 (also relativ spät) in die
deutsche Literatur eingeführt. Ursprünglich beinhaltete er nur die
Behauptung, dass die Organisationsstrukturen abhängig von der
Situation sind, in der sich eine Organisation befindet. Heute ist er
zusätzlich verschmolzen mit der vergleichenden Organisationsforschung, die
mittels empirisch-quantitativen Methoden bestimmen will, wie welche Dimensionen
der Situation welche Dimensionen der Organisationsstrukturen beeinflussen
können. Es gibt diesbezüglich vier verschiedene
Situationsdimensionen:
-
Die Fertigungstechnologie (Woodward, 1953) oder - erweitert nach Litwak -
jegliche Technologie, die hilft, die Aufgaben zu erfüllen.
- Die Organisationsgrösse ([Weber], Caplow, 1956).
- Die statische/dynamische Umwelt (Burns und Stalker, 1961).
- Die Bedürfnisstruktur der Mitglieder (Child, 1970).
Jede Schule kann mittels "ihrer" Situationsdimension
Plausibilitätserklärungen für die vorgefundenen Unterschiede in
den Organisationsstrukturen liefern, so z.B. für die Gegensätze
zwischen einem Finanzamt (Spezialisierung hoch, Gliederungstiefe hoch,
Programmierung hoch, Delegation hoch, Formalisierung hoch) und einer
Werbeagentur (genaues strukturelles Gegenteil vom Finanzamt): Im Finanzamt sind
Standards erwünscht, denn es ist gross und unterliegt einer statischen Umwelt
oder seine Mitglieder suchen Absicherung. Die Werbeagentur dagegen vermeidet
Standards, denn sie ist klein und bearbeitet dynamische Märkte, oder aber
sie verfügt über Mitglieder, die einen Bewegungsfreiheitswunsch hegen.
Bei der Entwicklung des Situativen Ansatzes fand im zunehmenden Masse
eine Relativierung des Bürokratie-Modells Webers statt, von dem
ursprünglich alle ausgegangen waren. 1967 forderten schliesslich
Lawrence und Lorsch, statt der Prinzipien und Strukturtypen empirisch erhobene
Dimensionen von Organisationsstrukturen zur Beschreibung derselben zu verwenden.
Typen hätten zwar didaktischen Wert, z.B. für einen schnellen Eindruck,
jedoch seien sie insgesamt zu unflexibel, um der Realität gerecht zu
werden - Zwischentypen wären hier zwar theoretisch denkbar, doch
würde deren nötige Quantität schon bald den didaktischen Vorteil
ins Gegenteil verkehren.
Erst 1969 sorgte der Psychologe Pugh zusammen mit der Aston-Gruppe
dafür, dass die Situation und die Organisationsstruktur als
mehrdimensional definiert wurden und sich der multivariate gegenüber dem
monovariaten Ansatz durchsetzte. Dies bedeutete aufgrund der Relativität
der Situationsfaktoren auch, dass statt einfacher
Plausibilitätserklärungen umfangreiche empirische Untersuchungen
nötig (und möglich) wurden.
Obwohl die Organisationssoziologie und die Managementlehre sich mehr und
mehr dem situativen Denken zuwenden und die dabei die gleichen
Erhebungsmethoden verwenden, verschmelzen sie dennoch nicht zu einer Einheit,
denn die empirischen Befunde werden aufgrund der verschiedenen Zielsetzungen
der beiden Disziplinen unterschiedlich interpretiert.
Nach Grochla gibt es dadurch zwei Varianten des Situativen Ansatzes, die
jeweils unterschiedlichen Zielsetzungen haben, nämlich den analytischen und den
praktischen Situativen Ansatz.
Diese (organisationssoziologische) Variante will Erklärungen für
empirische Befunde liefern und Warum-Fragen beantworten (z.B. "Warum ist die
Struktur bei dieser Situation so und nicht anders?"). Sie geht davon aus,
dass die Dimensionen der Situation anzunehmen sind, die eine
Erklärung für die empirisch festgestellten Organisationsstrukturen
liefern können. Seit einiger Zeit wird zudem untersucht, inwieweit die
Situation und die Organisationsstruktur auf das Verhalten und die Effizienz der
Organisation einwirken.
Fundierte Begründungen für empirische Befunde, wie sie die
positivistische Wissenschaftstheorie für Theorie vorschreibt, kann die
analytische Variante des Situativen Ansatz nicht liefern. Bestenfalls kann sie
Korrelationen aufzeigen, und Plausibilitäten, Vernunftgründe und
Pseudoerklärungen abliefern.
Diese (Managementlehre-behaftete) Variante will Gestaltungsempfehlungen für
die Organisationsstrukturen liefern und Wie-Fragen beantworten, also normativ
den Fit vorgeben, wobei die Situation einschränkend wirkt (z.B. "Wie gestalte
ich die Koordination, wenn eine dynamische Umweltsituation vorliegt?"). Sie
berücksichtigt, dass die Situation genauso wie die Struktur auf das
Verhalten der Mitglieder wirkt (das dies so ist, sieht man daran, dass
dynamische Marktgegebenheiten schon so manchen gestressten Arbeitnehmer
nach einem neuen Job haben suchen lassen).
Die pragmatische Variante setzt sich über alle methodischen Mängel
des Situativen Ansatzes hinweg (z.B. dass die erhobenen Stichproben bisher
meist zu klein waren) und formuliert für Manager - ohne eine fundierte
Basis, sondern nur ungeprüfte Korrelationen zu haben -
Gestaltungsempfehlungen für die Organisationsstrukturen. Eine
Konzentration auf die theoretische Variante scheint uns daher sinnvoller zu
sein, werden hier doch wenigstens Korrelationen in empirischen Befunden
gesucht, gefunden und interpretiert.
Hauptziel des Situativen Ansatzes ist es, Unterschiede zwischen formalen
Organisationsstrukturen durch Unterschiede in ihrer Situation zu erklären
und daraus Orientierungshilfen abzuleiten für die praktische
Organisationsgestaltung. Die Leistung des Situativen Ansatzes hängt dabei
v.a. von dem konzeptionellen und methodischen Vorgehen ab.
Oben sprachen wir vom multivariaten Ansatz und nicht etwa vom multikausalen,
denn dies würde implizit bedeuten, dass die Situation die Struktur
determiniert, was Kritiker auch häufig am Situativen Ansatz als falsche
Annahme bemängeln. Tatsächlich möchte der Situative Ansatz aber
keine Sachzwänge, sondern vielmehr Gestaltungsspielräume für die
Vorstandsmitglieder aufzeigen, die diese z.B. bei der nächsten
Klausurtagung nutzen können, um die Organisationsstrukturen zu
ändern. Mit anderen Worten: Nicht die Situation bestimmt die Strukturen,
sondern die Gestalter.
Gegen einen Determinismus sprechen weiter die Argumente:
-
Organisationen werden i.d.R. nicht aus der Situation heraus geboren,
sondern in diese mit bestimmten Strukturen hineingesetzt. Trotzdem
überleben sie recht häufig.
-
Organisationen können bis auf die vergangenheitsbezogenen Dimensionen (z.B.
Alter der Organisation und Art der Gründung) die Umwelt beeinflussen, sind
ihr also nicht hilflos ausgeliefert.
-
Formale Strukturen entstehen durch die Gestalter, die persönliche
Präferenzen haben, die unabhängig von der Situation gebildet wurden,
in der sich die Organisation im Entscheidungsmoment befindet.
Der Determinismusvorwurf im Bezug auf den Situativen Ansatz konnte im
vorherigen Abschnitt entkräftet werden. Damit soll ihm aber auch keine
Willkür unterstellt werden. Seine empirischen Analysen (in Form
statistischer Korrelationen zur Feststellung der Relativität der einzelnen
Dimensionen) geben Auskunft darüber, in welchem Ausmass
Merkmalsausprägungen zusammenfallen. Die sind dann vom Forscher inhaltlich
so zu interpretieren, dass sie die Zusammenhänge zwischen den
Struktur- und Situationsdimensionen aufzeigen. Dazu muss der Forscher
jedoch seine eigene Perspektive darlegen, also klar machen, was er glaubt,
welche inhaltlichen Mechanismen das Ergebnis begründen können. Wir
unterscheiden dazu vier verschieden theoretische Vorstellungen:
-
Der Forscher glaubt v.a. an die Umweltbeeinflussung (wie die
evolutionstheoretischen Ansätze) und deutet die empirischen Befunde nach
dem Funktionalismus. D.h., er versucht in zurückschauender Weise
verständlich zu machen, warum die Entscheider - beeinflusst von den
situativen Gegebenheiten - die Organisationsstruktur meisten so und nicht
anders gestaltet haben. Prognosen für eine beste Struktur in einer
bestimmten Situation sind daraus aber nicht ableitbar, weil mehrere Alternativen
zur Verfügung stehen.
-
Der Forscher glaubt v.a. an die Umweltbeeinflussung (wie die
evolutionstheoretischen Ansätze) und findet in den empirischen Befunden
einen Quasi-Determinismus bewiesen. D.h., er will "beweisen", dass die
Entscheider - beeinflusst von den situativen Gegebenheiten - die
Organisationsstruktur so und nicht anders gestaltet mussten, um
überlebensfähig zu bleiben. Die erkannten Anpassungsmuster
können dann für Prognosen verwendet werden.
-
Der Forscher glaubt v.a. an die Beeinflussung durch die Gestalter (wie die
Managementlehre) und deutet die empirischen Befunde nach dem
Zweckrationalismus. D.h., er versucht in zurückschauender Weise
verständlich zu machen, warum die Entscheider - beeinflusst u.a. von
Macht, Zielen und begrenzter Rationalität - in der oder der Situation die
Organisationsstruktur meisten so und nicht anders gestaltet haben. Prognosen
sind daraus aber nicht ableitbar.
-
Der Forscher glaubt v.a. an die Beeinflussung durch die Gestalter (wie die
Managementlehre) und findet in den empirischen Befunden
Regelmässigkeiten bewiesen. D.h., er will "beweisen", dass die
Entscheider - beeinflusst u.a. von Macht, Zielen und begrenzter
Rationalität - in der oder der Situation die Organisationsstruktur so und
nicht anders gestalten mussten, um überlebensfähig zu bleiben.
Der erkannte Orientierungsrahmen, den die Situation dabei vorgibt, kann
für Prognosen verwendet werden.
Wir wollen uns der Position (4) anschliessen. Die Entscheidungen der
Gestalter haben demnach erhebliche Bedeutung für die
Organisationsstruktur. Warum untersucht man dann eigentlich nicht gleich
direkt, wie die Entscheidungen der Gestalter zustande kamen, denn letztlich
will der Situative Ansatz den Gestaltern doch gerade diese Entscheidungen
nennen können? Doch nach Kieser ist die Organisationsstruktur-Betrachtung
besser, denn:
-
Die Ergebnisse der Gestalter-Entscheidungen (also die
Organisationsstrukturen) sind wesentlich einfacher zu untersuchen als die
Entscheidungen selbst. Organisationsstrukturen sind das Ergebnis vieler
Entscheidungen, die im Einzelnen nicht mehr nachvollzogen werden
können.
-
Gestalter treffen Entscheidungen oft eher aufgrund ihrer Erfahrungen
und/oder Präferenz, als dass sie dabei explizit die Situation beachten. Wir
wollen aber erklären, welche Entscheidungen bei welcher Situation sinnvoll
sind, und nicht, welche persönlichen Präferenzen bei den meisten
Gestaltern dominieren.
Der Situative Ansatz ist weit verbreitet. Daher wird er natürlich auch
kritisiert. Und das ist gut so, garantiert doch nur Kritik einen
wissenschaftlichen Fortschritt. Zwei Kritikformen werden im Folgenden
dargelegt.
Die endogene Kritik bedeutet eine Kritik im Detail. In unserem Fall
heisst das, den Methoden des Situativen Ansatzes wird zwar prinzipiell
zugestimmt, sie müssten nur erweitert bzw. verfeinert werden. Im
Einzelnen:
-
Einige Strukturmerkmale bzw. Situationen werden nicht erfasst (die
Selbstabstimmung, die Entscheidungspartizipation und die Informationstechnik
kommen z.B. eindeutig zu kurz und müssen noch stärker
herausgearbeitet werden).
-
Die empirischen Masse sind unzuverlässig bzw. nicht vergleichbar
(sie werden nicht nach den Massstäben der Sozialforschung
überprüft).
-
Die statistischen Verfahren sind nicht angemessen (es wird mittels
Korrelationsanalysen immer nur ein linearer Zusammenhang gemessen, obwohl
durchaus auch ein anderer bestehen könnte).
-
Die Stichproben sind nicht repräsentativ bzw. vergleichbar (Struktur
der Grundgesamtheit ist meistens nicht bekannt; die Interview-Beteiligungsquote
ist wegen des Aufwands meist viel zu klein).
-
Bei der Interpretation der empirischen Befunde wird häufig nicht die
eigene Perspektive des Forschers dargestellt.
Die exogene Kritik bedeutet eine fundamentale Kritik. In unserem Fall
heisst das, die Annahmen und Methoden des Situativen Ansatzes werden infrage
gestellt. Im Einzelnen:
-
Methodologie: Der Situative Ansatz muss sich den Vorwurf der
Theorielosigkeit gefallen lassen: Er liefert nur Tendenzaussagen mit
Pseudo-Erklärungen, kein Modell der Realität mit echten Gesetzen. Der
Situative Ansatz beachtet historisch-gesellschaftliche Aspekte nicht (manche
Strukturen sind gewachsen und daher vorherrschend, obwohl sie inzwischen
effektiver gestaltbar wären), seine Annahmen produzieren Ideologien (z.B.
ist die Rationalitätsannahme falsch, weil die Macht nur wenig
berücksichtigt wurde). Zudem wird nur die Perspektive des Managements
berücksichtigt.
-
Inhalt: Ziele und Macht werden beim Situativen Ansatz vernachlässigt.
Die Dominanz der Situation über die Organisationsstrukturen ist zu einseitig
(denn wie erwähnt kann auch die Organisation die Umwelt beeinflussen).
-
Politik: Der Situative Ansatz erfasst nur das Durchschnittliche und
das Gegebenen, daher vernachlässigt er die zukunftsweisenden
Einzelfälle (Strukturinnovationen treten vermutlich nie gleich in solchen
Massen auf, dass der Situative Ansatz sie gebührend respektiert).
Üblicherweise versuchen die Situativer Ansatz-Erweiterungen die
quasi-mechanistische Wirkung der Situation auf die Strukturen zu
überwinden, in dem sie zeigen, dass er den Gestalter bzw. die
Unternehmenspolitik Wahlmöglichkeiten einräumt.
Bei dieser Erweiterung des Situativen Ansatzes werden verstärkt die
Ziele der Gestalter betrachtet und deren Position zwischen der Situation und
den Organisationsstrukturen. Die Ziele werden von den Werten der Gestalter
beeinflusst, die geprägt werden von Erfahrungen, Literaturwissen, der
persönlichen Managementphilosophie, und nicht generalisierbar sind
durch gesellschaftliche bzw. ökonomische Strömungen (z.B. Taylorismus
oder Human Relation), woraus also eine fast beliebige Wahlfreiheit folgt.
Zeugnisse dafür sind:
-
Strukturwandel wie Diversifikation sind häufig keine Notwendigkeit,
sondern nur Folge von Führerwechsel bzw. Modeerscheinung. Typischer
Modefall z.B.: Divisionalisierung, obwohl keine Diversifikation stattgefunden
hat.
-
Auf eine dynamische Umwelt reagieren Manager häufig gegen den
Situativen Ansatz-Vorschlag mit mechanistischen Massnahmen (um die Dynamik
in den Würgegriff zu bekommen).
Bei dieser Erweiterung des Situativen Ansatzes werden unternehmenspolitische
Strategien der Gestalter betrachtet und deren Position zwischen Struktur und
Situation. Wie Chandler glaubt, dient die Struktur nur der Implementierung der
Strategie, die direkt an die Situation angepasst wird. Diese "Structure
follows Strategy"-Annahme ist sicher zu einseitig, um richtig zu sein, denn die
Strategie wird häufig auch von den Strukturen beeinflusst (z.B.
nehmen die Marketingstrategien sicher auf eventuell vorhanden
Produktmanagement-Strukturen Rücksicht).
Das Konzept der strategischen Wahl nach John Child (1972) besagt dagegen, dass
die Gestalter zwar durch die Umwelt beeinflusst werden, dass diese aber
über ihrer Ziele rationale Strategien entwickeln können, die die
Struktur bestimmen, die der Umwelt angepasst sind. Diese Freiheit ist
jedoch nur bei der Unternehmensgründung gegeben. Und selbst da ist die
Rationalität der Wahl der Strategie aufgrund verschiedener
Machteinflüsse zu bezweifeln.
Wie Lorsch feststelle, muss von den Organisationsgestaltern eigentlich
ein doppelter Fit erstellt werden, nämlich einmal zwischen der Situation
und den Organisationsstrukturen und zum anderen zwischen den
Organisationsstrukturen und dem Mitgliederverhalten, da die Situation sich aus
objektiven wie subjektiven Dimensionen zusammensetzt, die nicht vermischt
werden sollten. Die Programme der vergleichenden Organisationsforschung als
integrierter Bestandteil des Situativen Ansatzes berücksichtigen dies. Sie
wollen daher:
-
operationalisierte Konzeptionen der Organisationsstruktur erstellen, um
sie untereinander vergleichbar zu machen.
-
operationalisierte Konzeptionen der Situation erstellen, die dann
(Pseudo-)Erklärungen für die Unterschiede liefern können.
-
operationalisierte Konzeptionen des individuellen Verhaltens bzw. der
Organisationseffizienz erstellen in Abhängigkeit von den situativen
Faktoren und der Organisationsstruktur.
-
danach irgendwann vielleicht eine Theorie bilden über die
Relation Situation zu Struktur bzw. die Relation Situation und Struktur zu
Verhalten und Effizienz.
Konzeptualisierung bedeutet aus einem komplexen Bereich vorsichtig (!) die
relevanten Strukturdimensionen zu bestimmen und damit einen Merkmalraum zu
schaffen, der durch die Operationalisierung eine Durchrasterung erfährt,
die eine Vergleichbarkeit der Organisationsstrukturen gewährleistet.
Anknüpfend an die Managementlehre und dem Bürokratiemodell Webers
lassen sich fünf Hauptstrukturdimensionen erkennen, die den Merkmalsraum
aufspannen.
Liegt dann vor, wenn mehrere Arbeitnehmer dauerhaft unterschiedliche Arbeit
verrichten. Generell kann gesagt werden, dass eine Steigerung des
Spezialisierungsgrades mit verstärkter Koordination verbunden ist. Viele
Köche wollen eben koordiniert sein, sonst verdirbt der Brei.
Je nachdem, ob ein Aufgabenbereich fest umrissen werden kann und das
Ausbildungssystem dies berücksichtigt, entstehen durch die Spezialisierung
Stellen. I.d.R. sind solche Stellen mit einer Dequalifizierung der Arbeit
verbunden, können aber im Fall der Professionalisierung auch genau das
Gegenteil bedeuten (d.h., ein Fliessbandarbeiter braucht kein helles
Köpfchen, ein Firmenjurist aber schon, obwohl beide ein relativ enges
Arbeitsfeld haben). Stellen, die anderen Stellen übergeordnet werden,
heissen Instanzen.
Bereits Adam Smith wusste 1776, dass wenige Alles, viele aber
Weniges können, was sich zu einem Ganzen ergänzen lässt. Die
im Zusammenhang mit der Stellenbildung üblicherweise genannten Vorteile sind
jedoch kritisch zu prüfen: Einfache Arbeit bedeutet nicht nur hohe
Geschicklichkeit, sondern auch Fluktuation der Arbeitskräfte. Sie
muss u.U. wegen ihres Magengels an Attraktivität teurer entlohnt werden.
Oft geht bei hoher Arbeitsteilung die Eigenverantwortung flöten
("Das wird schon jemand anderes machen"), sodass z.B. ein Heer von
Kontrolleuren nötig wird, um die dadurch verursachten Mängel wieder
zu beseitigen. Vorteilhaft an spezialisierten Stellen sind aber sicher deren
eindeutige Verantwortungsbereiche - das macht es dem Chef leichter, einen
Schuldigen zu finden, wenn etwas nicht geklappt hat.
Abteilungsbildung bedeutet die Schaffung von Instanzen über mehrere
Stellen, die zu einer organisatorischen Einheit zusammengefasst werden.
Zweck: Entlastung der Instanzen und die Vereinfachung der Abstimmung der
Stellen, da nun ein gemeinsamer Verantwortungsbereich vorliegt. Die Folgen der
Abteilungsbildung sind immer Hierarchien - nicht nur Personen-, sondern auch
Aufgaben- oder Stellenhierarchien. Das hat Folgen für die Strategiebildung
der Gestalter.
Abteilungen werden gebildet nach:
- der Verrichtung
- den Objekten
- den Regionen bzw. Kundengruppen
Dies soll die abteilungsübergreifende Koordination möglichst
gering halten. Andere Arten der Abteilungsbildung haben sich meist als wenig
vielversprechend erwiesen, so z.B. Thompson Idee, wegen der knappen Ressourcen
die Stellen mit reziproken Interdependenzen eher zu Abteilungen
zusammenzufassen, als die mit sequenziellen oder gepoolten Interdependenzen.
Durch die Koordination werden die Aktivitäten der Mitglieder auf die
Organisationsziele ausgerichtet. In der Praxis findet man selten eine demokratische
Koordination vor, obwohl diese durch eine Stellenhierarchie theoretisch
möglich wäre. Grund: Diese Koordination in Reinform ist zu
zeitintensiv, daher werden Delegiertengruppen gebildet. Aber: Die Delegierten
arbeiten weniger, die Gleichheit ist verletzt - sie werden daher abwählbar
gemacht. Aber: Nach Michels (1925) ehernem Gesetz der Oligarchie wandeln die Delegierten
die Demokratie früher oder später zur Oligarchie, um sich so ihre Macht
zu erhalten. Ein weiteres Problem demokratischer Koordination ist: Meist hat
jemand nur Qualitäten zur Koordination oder ausführenden Arbeit,
selten für beides. Einige Manager können z.B. Unternehmen von
über 1000 Mann "Besatzung" führen, versagen aber, wenn sie mit ihren
eigenen Händen eine Sandburg bauen sollen.
Die Koordination erfolgt entweder als vorausschauende Abstimmung
(Vorab-Koordination) oder als Reaktion auf Störungen
(Feedback-Koordination). Vorab-Koordination kann zwar alleine funktionieren und
macht den Misserfolg zum Irrtum, muss aber im Gegensatz zur
Feedback-Koordination nicht unbedingt sein.
Die Koordinationsinstrumente sind entweder technokratischer Natur
(Pläne, Programme, Einsatz nur bei Vorab-Koordination möglich) oder
personenorientierter Natur (persönliche Weisung, Selbstabstimmung, Einsatz
bei Voraus- und Feedback-Koordination möglich).
Hat den Vorteil, flexibel und auf einfache Weise schriftlich bzw.
mündlich realisierbar zu sein ("Hey, du, räume das Mal weg!"). Hat
aber den Nachteil, die Konsequenzen meist nicht richtig abzuschätzen zu
können, feste Kompetenzbereiche (wer wem was sagen darf) zu benötigen
und Instanzen zu überlasten. Den berühmten Sack Flöhe von
Schülern zu hüten, hat so schon einige Direktoren die Stimme
gekostet.
Die Selbstabstimmung ist ein Geschenk des Human Relations-Ansatzes für
die Mitglieder der Organisation. Unterschieden werden bei ihr zu
Entscheidungsfindung:
-
die fallweise Interaktion: Die Stelleninhaber entscheiden nach eigenem
Ermessen, wann sie sich selbst abstimmen.
-
die themenspezifische Interaktion: Bei bestimmten Problemen müssen
sich die Stelleninhaber selbst abstimmten.
-
institutionalisierte Interaktion: Es gibt dauerhafte Gremien, über
die sich gleichgestellte Stelleninhaber regelmässig untereinander
abstimmen.
Vorteilhaft ist bei der Selbstabstimmung v.a. der Demokratisierungseffekt.
Nachteilig ist dagegen die Zeit-Intensität dieses
Koordinationsinstruments. Es gilt auf jeden Fall: Hierarchien und
Spezialisierung können durch die Selbstabstimmung nicht völlig
ersetzt werden.
Bedeutet erlernte oder vorgeschriebene Verfahrensrichtlinien einhalten.
Unterscheidet sich nach schriftlich bzw. mündlichen Vorgaben,
Detaillierungsgrad und Flexibilität. Reduziert Unsicherheit und Koordination
zwischen Abteilungen, benötigt keine Einsicht des Arbeiters (tatsächlich
würde diese sogar stören, wie man bei der Bundeswehr immer wieder zu
hören bekommt), funktioniert als einziges Instrument der Koordination aber
nur bei standardisierten Aufgaben in einer statischen Umwelt. Kritisch muss
auch angemerkt werden, dass das reine Vorschriftenhandeln selten effektiv
ist - sogar bei der Bundeswehr nicht. Wenn ich mich wie dort vorgesehen an die
Vorschrift halte, erst bei einer Wasserhöhe von 1,5 m selbstständig
Schwimmbewegungen auszuführen, bin ich längst ertrunken, falls ich
nur 1,4 m gross bin. Auch gestattet es die Programmierung nicht, auf eine
Feedback-Koordination zu verzichten - bei jeder Störung darf sich dann der
Meister freuen, denn da darf er wieder persönlich Weisen.
Durch die Planung werden Entscheidungen getroffen, die in die Zukunft
hineinwirken. Wir lassen die Einschränkung gelten, dass nur dann
Planung vorliegt, falls die Planung nicht vom Plan-Ausführenden selbst
stammt - wer seine Arbeit selbst plant, nimmt keine Planung, sondern
Selbstkoordination vor. Die Planung wird von Ebene zu Ebene konkretisiert: Am
Anfang ist sie strategisch, dann administrativ, dann operational.
Pläne sind von Programmen folgendermassen abzugrenzen: Pläne
sind im Gegensatz zu Programmen nur periodendauerhaft, sie enthalten nicht
ausschliesslich Verfahren, sondern auch Ziele, und Pläne können
durch Programme erstellt werden. Es gilt: Die Programmierung von Plänen
ist besser als die reine Planung, da bei der Plan-Programmierung die Pläne
zuvor an Experten delegiert wurden.
Möglichkeiten zur Reduktion der Koordination sind:
- Abteilungen bilden und dadurch Instanzen schaffen, die alleine der Koordination dienen.
- Schaffung von Puffern oder flexibler Ressourcen.
-
Management by Exceptions (Frese, 1969), d.h. Schwellengrenzen setzen und
nur bei Nichterreichung dieser aktiv werden.
- Gesamtergebniserwartungen zurückschrauben.
- Einsatz von nicht-struktureller Koordination.
Organisationsinterne Märkte erreicht man durch Schaffung eines internen
Verrechnungspreises für die jeweiligen Outputs der Abteilungen. Dies
funktioniert nur mit Profitcenter, setzt also eine divisionale Organisation
voraus. Statt des Kooperationsgedankens der strukturellen Koordination wird
hier der Gedanke der Konkurrenz gesponnen - Korruption, Messerkämpfe auf
dem Gang zwischen Abteilungsleitern, und Entführungen von
Ressourcenverwalter bleiben da selten lange aus.
V.a. durch Peters und Waterman (1983) ist die Ansicht bekannt gemacht worden, dass
die gemeinsame Überzeugung die Aktivitäten der Mitglieder auch ohne
Vorgaben koordiniert. Die Mittel dazu: Management by Wandering Around,
Unternehmensphilosophie (laut Ulrich), transformationale Führung (das ist
die ständige Erinnerung an einen angeblich höheren Sinn einer
Handlung durch einen Manager), Rituale wie das HP-Frühstück (lecker!)
und Helden ("Der IBM-Gründer war nichts, hatte nichts, konnte nichts - und
trotzdem schuf er all das hier"). Die Koordinationswirkung der
Organisationskultur beruht v.a. auf dem gegenseitigen Vertrauen der
Mitglieder.
Laut Wilkins und Ouchi eignet sich die Organisationskultur in dynamischen Umwelten
zur Koordination besser als die strukturelle Koordination. Allerdings wird sie von
der Neuen Linken auch als Kontrollideologie der Kapitaleigner kritisiert,
die die Realität verschleiert (der Chef bleibt ja der Chef, auch wenn er das
nicht mit jedem Satz verdeutlicht). Zudem kann sie Mitglieder und Organisation in
ihrer späteren Anpassungsfähigkeit auch beeinträchtigen (einmal
Laissez-faire geschmeckt und jede Disziplin ist zum Teufel).
Hier wird das Taking Role-Prinzip wirksam, d.h. jeder kennt die Rolle des
anderen und agiert bzw. reagiert in einer Weise, die dessen Erwartungen
entsprechen. Z.B. funktioniert ein Arzt unabhängig von Situation und
Struktur überall gleich gut (natürlich nur, sofern er auch sonst gut
ist).
Beschreibt nach Pugh die äussere Form des Stellengefüges und
hat besonders die Weisungsverflechtungen im Auge. Nach der derzeitigen
Lean-Tendenz sollte die Konfiguration möglichst dünn ausfallen (z.B.
durch Koordinationsreduktion und Zero-Budgeting, um überflüssige
Gemeinschaftskostenstellen einzusparen und dem mittleren Management den Abschied zu
erleichtern).
Das Einliniensystem nach Fayol (1919) hat pro Abteilung nur eine Instanz
vorgesehen, was klare Verantwortungsbereiche schafft. Allerdings muss
durch Fayolsche Brücken (d.h. durch eine direkte Abstimmung) auch meistens
eine Überlastung der Instanz verhindert werden.
Das Mehrliniensystem basiert auf Taylors Funktionsmeister-Prinzip, bei dem
die Kompetenzen mehrerer Entscheider pro Stelle ausgenutzt werden. Allerdings
ergeben sich daraus auch oft Kompetenzstreitigkeiten (denn merke: Zwei Hähne im
Hühnerstall sind einer zu viel).
Linienstellen sind ausführende Stellen oder Instanzen, Stabsstellen
sind - wenigstens im deutschen Sprachraum - unterstützende Stellen.
Letztere eingeschränkte Bedeutung von Stäben wirft Probleme auf, da
Stabsstellen in der Praxis häufig auch selbst produktiv sind, indem sie
z.B. Software, Papierflieger und leere Sprachhülsen u.ä. herstellen.
Sie sind als Ersatz für die Mehrliniensysteme anzusehen. Leider leiden sie
meistens an massiven Frustrationsgefühlen ("Warum muss uns niemand
gehorchen?") und neigen daher zu Ergebnis-Manipulationen, um sich mehr Arbeit
und damit mehr Macht zu verschaffen.
Projektmanagement beinhaltet eine institutionelle Selbstabstimmung auf Zeit
und eventuell sogar die Schaffung einer eigenen Manager-Stelle (z.B. wenn ein
"geleanter" Manager nicht freiwillig gehen will, kann er sich hier austoben). Je
nach Weisungsbefugnissen muss zwischen Einfluss-, Matrix- und reinem
Projektmanagement unterschieden werden. Projektmanagements entstehen
häufig aus Stäben, denen Weisungsbefugnisse erteilt wurden.
Matrixprojekte müssen nach Kieser über Funktionsdiagramme vorher
klären, wer welche Entscheidungen treffen darf, damit sie nicht in
allzu grosse Kompetenz-Streitigkeiten ausbrechen (die man früher
gerade anstrebte, denn: Nur der Starke sollte überleben können). Sie
sind dennoch eine haarige Sache und besser zu vermeiden. Obwohl es heisst,
dass sie bei BASF und ABB in Form von Produktmanagement erfolgreich
waren.
Das Produktmanagement kommt hauptsächlich in funktionalen Organisationen
zustande, da dort niemand alleine die Verantwortung für ein bestimmtes Produkt
trägt, man aber gerne einen Verantwortungsträger als potenziellen
Sündenbock haben will. Meist sind sie der erste Schritt in Richtung
Divisionalisierung. Eine institutionelle Selbstabstimmung, d.h. ein dauerhaftes
Recht auf Mündigkeit gegenüber Papa Vorgesetztem, findet nur bei
Einsatz von Produktkomitees statt, die den Sachverstand durch die vielen Hirne
ihrer Mitglieder ballen und dadurch die tollsten Produktstrategien entwerfen
könnten, die aber wegen des allgegenwärtigen Abteilungsegoismus meist
ein Training der Mitglieder, einen guten Moderator und eine angemessene
Eingewöhnungszeit verlangen, in der - vermutlich idealisierten - Hoffnung,
dass sich danach etwas bessern könnte im täglichen Miteinander
der lieben Kollegen.
Als besondere Form des Produktmanagements gibt es ausserdem das noch
speziellere Kundengruppenmanagement bzw. Key Account-Management; hier
hält der Manager v.a. den Kontakt zu den Kunden aufrecht, indem er sie
z.B. in hartnäckiger Inspektor Columbo-Manier immer wieder anruft oder gleich
persönlich bei ihnen vorbeischaut, um ihnen den neuesten Katalog unter die
Nase zu halten.
Die Gliederungstiefe ist nach Psychologe Pugh die Anzahl der hierarchischen
Ebenen (auch vertikale Spanne genannt).
Die Leitungsspanne gibt dagegen die Anzahl der einer Instanz untergeordneten
Stellen wieder. Es gilt: Sie ist hoch, wenn die Gliederungstiefe klein ist oder
wenn technokratische Koordination eingesetzt wird oder wenn die Abteilungen
interne Homogenität aufweisen. Problematisch bei dieser
Konfigurationsgrösse ist, dass sie stets vom Einliniensystem nach Fayol ausgeht
(was aber nicht weiter schlimm ist, denn Taylors
Funktionsmeisterprinzip hat nie grossen Anklang gefunden - Manager teilen
sich nun einmal ihre Macht nicht gerne mit anderen).
Die Stellenrelation beschreibt das Verhältnis der ausführenden
Stellen zu den Instanzen. Hiermit lässt sich u.a. das Parkinsonsche
"Gesetz" aufzeigen: Die Verwaltungsstellen wachsen so schnell in den Himmel,
dass die ausführenden Stellen gar nicht mehr nachkommen. Ehe sich ein
Arbeiter versieht, kann ihm so eine ganze Horde von Verwaltungsbeamten das
Leben schwer(er) machen.
Diese Dimension beschreibt die Verteilung der Entscheidungsbefugnisse vom
Umfang her, oder ist nach Simon mit der Dezentralisation von
Entscheidungen gleichzusetzen. Im Gegensatz zu den Weisungsbefugnissen der
Konfiguration (die nach innen wirken und also die eigenen Kollegen wütend
schnauben lassen) werden hier zusätzlich die Verantwortungsbereiche und
die Vertretungsbefugnisse (die nach aussen wirken und also wildfremde
Menschen gierig hecheln lassen) diskutiert.
Delegation, Verantwortung und Weisungsbefugnisse sind als Einheit zu sehen -
sie treten immer im Rudel auf. Bei der Verantwortung wird unterschieden
zwischen Eigen-, Fremd-, Führungsverantwortung und politische Verantwortung.
Letztere bedeutet, dass man auch den Hut nimmt, wenn man nichts für die Fehler
der Untergebenen kann - praktiziert z.B. bei Ministern und Trainern, die ihre
Untertanen nicht richtig im Griff hatten.
Die Entscheidungsdelegation bewirkt, dass der Untergebenen sowohl seinem
Vorgesetzten, also auch der Unternehmensleitung gegenüber verantwortlich
ist. Trotzdem wird der Vorgesetzte dadurch die Verantwortung nicht völlig
los: Die der Aufsichtspflicht bleibt nach wie vor an ihm kleben. Schärfer
formuliert dies das Harzburger Modell (vom SS-Standartenführer Höhn,
1987): Der Vorgesetzte delegiert die Handlungsverantwortung, behält aber
die Führungsverantwortung, muss also klare Aufgaben stellen und
dennoch kontrollierend wirken. Jawohl, ja.
Entscheidungsbefugnisse zu besitzen, das verschafft Macht und
Einfluss in der Organisation - mit etwas Glück kommt man dadurch sogar
zu einer Sekretärin, denn irgendjemand muss ja die wichtigen
Entscheidungen aufschreiben, die man als Entscheider so tagtäglich zu treffen
hat. Doch dazu sind noch weitere Aspekte zu berücksichtigen, die innerhalb der
Mikropolitik diskutiert werden, z.B. dass formale Macht gegen informale Macht
durchaus den Kürzeren ziehen kann (bekannt aus Familien, in denen die
Mutter die Hosen an hat, obwohl der Vater die Brötchen verdient).
Gleichgesetzt werden darf natürlich auch nicht die Partizipation von
Entscheidungen (der Boss ist gnädig und gestattet es seinen
Untertanen, Verbesserungsvorschläge zu machen) mit der Delegation von
Entscheidungen (der Boss ist zwar ungnädig, muss sich die
Verbesserungsvorschläge seiner Untertanen aber aufgrund der formalen
Strukturen anhören). Bei der Partizipation gilt für die Mitglieder:
Information < Anhörung < Beratung < Mitentscheidung <
Mitbestimmung < Vetorecht < Liquidierung des Vorgesetzten. Nur beim
letzten Punkt kann der Untergebenen sich gegenüber seinem Vorgesetzten
wirklich durchsetzten.
Die Formalisierung ist ein typisches Merkmal der Bürokratie und
lässt sich unterteilen in die drei Teildimensionen:
-
Schriftliche Fixierung von Stellenbeschreibungen, Organigrammen und
Verfahrensrichtlinien.
-
Die (gesetzliche) Aktenmässigkeit aller Vorgänge, d.h.
die Protokollierung der täglich anfallenden Arbeit.
-
Die Leistungsdokumentation, z.B. durch Führen von
Arbeitszeitkarten und Aufbewahrung der Telefonrechnungen.
Neben den formalen Regeln existieren immer auch die informalen Regeln, auch
wenn deren Erhebung recht schwierig durchzuführen ist. Eine solche
informale Regel ist z.B. einen freundschaftlichen Umgangston untereinander
einzuhalten, denn jeder weiss, dass das dem Arbeitsklima
förderlicher ist, als wenn sich jeder wie ein Brüllaffe
aufführen darf. Nach Kieser sollte keine aufwendige Unterscheidung
zwischen formalen und informalen Regeln vorgenommen werden, da letztlich beide
das Handeln der Mitglieder beeinflussen. Zudem kann man informale Regeln auch
durchaus als spontan entstandene formale Regeln betrachten.
Um empirische Befunde operationalisieren zu können, müssen wir
zwei Annahmen treffen:
-
Die beobachteten Erkenntnisobjekte sind objektiv, also
personenunabhängig wahrnehmbar.
-
Die Ausprägungen der Erkenntnisobjekte weisen relative Konstanz auf.
Die zweite Annahme ist bei den Strukturen der Organisation gegeben, beim
Verhalten der Organisationsmitglieder dagegen nur unvollständig. Die erste
Annahme ist diffiziler. Denn formale Regeln müssen - wie am Anfang gezeigt
- interpretiert werden, damit sie sinnvoll eingesetzt werden können. Dabei
lassen sich zwei Perspektiven herausstellen:
-
Vorgesetzten-Perspektive: Sie wird wegen ihrer relativen Objektivität
zur Makroanalyse der Grundstrukturen eingesetzt, die über
Dokumentenanalyse und Schlüsselpersonen-Befragung ermittelt werden
können ("In welchem Mass wird in der Organisation durch
Programmierung koordiniert?").
-
Betroffenen-Perspektive: Sie wird zur Mikroanalyse des Verhaltens der
Mitglieder eingesetzt, das über eine Mitarbeiterbefragung ermittelt werden
kann. Diese Perspektive soll das subjektive Empfinden der Betroffenen
wiedergeben, es kann daher phänomenologisch vorgegangen werden ("Wie
stehen Sie zu der Koordination durch Programmierung?").
Da die Organisationstheoretiker i.d.R. die Arbeitgeber vertreten, kommt es
vor, dass sie auch die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung unter der
Vorgesetzten-Perspektive analysieren. So erhält man zwar ein objektives
Bild des Gegebenen, nicht aber eine Vorstellung darüber, inwieweit das
Gegebene Anklang findet bei den Betroffenen. So kann es z.B. passieren,
dass das ermittelte hohe Mass an Selbstkoordination positiv
gewertet wird, obwohl die Betroffenen eigentlich viel lieber ihr eigenes Hirn
abschalten und ihre Anweisungen von oben bekommen würden.
Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen den quantitativen und den
qualitativen Massen. Über quantitative Masse können die
Umfänge einer variabel gemachten Dimension sehr genau bestimmt werden, sie
liefern jedoch keine für eine praktische Auswertung wichtigen Inhalte.
Beispiel: Es wurde ermittelt, dass im Werk A 100 und im Werk B 150
Sekretärinnen beschäftigt sind. Die qualitativen Masse schaffen
dagegen Klassen, die aber untereinander nicht vergleichbar sind. Beispiel: Es wurde
ermittelt, dass im Werk A mehr Stenotypistinnen und in Werk B mehr
Maschinenschreiberinnen beschäftigt sind. I.d.R. geht der
Organisationstheoretiker daher so vor, dass er im Bezug auf die erhobenen
Daten zuerst eine quantitative Analyse vornimmt und dann evtl. noch eine
qualitative Analyse daran anschliesst.
Nach Aiken und Hage kann die Dimension der Spezialisierung quantitativ
operationalisiert werden, indem man die Zahl der Stellenbeschreibungen
bestimmt, oder wie Pugh die Erhebung der wahrgenommenen Möglichkeiten der
Spezialisierung bestimmt. Bedingung für einen Vergleich von mehreren
Organisationen hinsichtlich ihres Spezialisierungsgrades wäre allerdings,
dass die Organisationen auch gleiche Stellen besitzen.
Qualitativ lässt sich nur eine Unterscheidung zwischen
funktionalen oder divisionalen Organisationen beschreiben.
Zur Bestimmung des quantitativen Koordinationsmasses kann man
prüfen, welche Koordinationsinstrumente eingesetzt werden und/oder in
welchem mengenmässigem Verhältnis sie untereinander bestehen.
Die persönliche Weisung kann einmal über sehr aufwendige
Kommunikationsanalysen (Schmidt, 1988) ermittelt werden oder zum anderen auch
indirekt über die Gliederungstiefe oder Leitungsintensität, weil
diese von der persönlichen Weisung abhängig sind. Nur grosse
Unternehmen verfügen über viele Ebenen, wenn jeder Meister Hunderte
von Lehrlingen führt.
Die Selbstabstimmung ist durch Befragung zu ermitteln, z.B. wie stark nach
subjektivem Empfinden die vertikale Kommunikation gegenüber der
horizontalen ist. Dadurch ergibt sich u.U. kein offizielles Bild des Gebrauchs
der Selbstabstimmung, denn i.d.R. wird weit mehr selbst abgestimmt, als
dass dies die Vorgesetzten wahrhaben wollen (denn das schmälert ja
ihren Einfluss auf das Ergebnis der von ihnen geführten
Abteilung).
Um das Mass der Programmierung zu bestimmen, wählt Pugh 68
verschiedene programmierbare Aktivitäten aus und lässt von
kompetenten Organisationsmitgliedern in Skalen ankreuzen, inwieweit diese in
ihrer Firma praktiziert werden - die Summe aller angekreuzten Programme ergibt
das gewünschte Ergebnis. Nachteil dabei ist aber, dass wegen der
programmierbaren Natur von Verwaltungsaktivitäten v.a. diese in der
Liste aufgeführt sind, obwohl ebenso im Produktionsbereich
programmiert werden kann.
Eine andere Möglichkeit das Mass der Programmierung zu bestimmen
sind Interviews. Dabei rutschen aber leicht nicht-strukturelle Routineaufgaben
als Programme in die Erhebung mit hinein, z.B. wenn jemand beschreibt,
dass das Telefonritual mit der Materialversorgung stets gleich
abläuft, obwohl dieses "Ritual" nicht als Programm fixiert vorliegt.
Kieser verfährt zur Bestimmung des Planungsmasses ähnlich wie
Pugh: Er überlegt sich möglich Pläne für eine Firma/Branche
und vergleicht dann, inwieweit sie in der zu untersuchenden Organisation
realisiert wurden.
Das Konfigurationsmass der Gliederungstiefe ergibt sich aus der Zahl
der Ebenen. Diese kann in verschiedenen Bereichen verschieden sein, daher
wählt man aus, ob man die Maximums-, die Durchschnitts- oder die
bereichsspezifische Gliederungstiefe bestimmen will. Probleme gibt es bei
kollegialer Leitung: Soll ein einzelnes Vorstandsmitglied, das hier ja nur
ein Ressort vertritt, als eigene Ebene gelten, was dazu führen
würde, dass die Anzahl der Vorstandsmitglieder mit der
Gliederungstiefe übereinstimmt? Kieser sagt ja, zumindest falls eine
Personenhierarchie gegeben ist.
Bei dem Konfigurationsmass der Leitungsspanne kann man wählen, ob
man die Leitungsspanne der obersten Instanz betrachten will (bei kollegialer
Leitung gilt: Leitungsspanne gleich Vorstands-Mitgliederzahl), vom Durchschnitt
ausgeht oder die funktionale Weisungsspanne bestimmt, d.h. alle einer Instanz
untergeordneten Stellen zählt.
Das Konfigurationsmass der Stellenrelation bieten interessante
Aussagemöglichkeiten zur Koordination, z.B.:
-
Gesamtkoordination = Leitungsstellen/Gesamtstellenzahl
-
Technokratische Koordination = Stabsstellen/Gesamtstellenzahl
-
Persönliche Weisung = Instanzen/Gesamtstellenzahl
Nach Dale (1952) ist die Delegation genau dann gross, wenn folgende
Qualitätsmerkmale gegeben sind:
-
Viele Entscheidungen fallen auf unterer Ebene, z.B. wenn der Disponent
Hänschen Müller die Arbeit der Einkaufabteilung gleich mit übernimmt.
-
Wichtige Entscheidungen fallen auf unterer Ebene, z.B. wenn der
Hausmeister über Millionendeals verhandeln darf.
-
Die Entscheidungen der unteren Ebene sind weitreichend, z.B. wenn ein
Abteilungsleiter jeden entlassen kann, der gegen ihn aufbegehrt hat.
-
Die Entscheidung der unteren Ebenen sind nicht abstimmungsbedürftig mit
den Vorgesetzten, z.B. wenn jeder Arbeiter die Urlaubsgestaltung selbst
übernehmen kann.
Eher fragwürdig zu bewerten ist die Ermittlung der Delegation über
die Leitungsspanne (Evan), die Höhe der Gehälter (Whistler) oder die
zeitliche Kontrollspanne zwischen Ausführendem und Vorgesetzten, da diese
Erhebungen nur indirekte Masse liefern, bei denen zusätzlich die Korrelation
mit der Delegation zu prüfen ist. Ausserdem finden die Qualitätsmerkmale
Dales keine Berücksichtigung.
Besser macht es wieder einmal Pugh die Stubenfliege mit seiner altbekannten
Methode: Er wählt 38 generellen Entscheidungen einer Organisation aus und
prüft, inwieweit diese von den unteren Ebenen getroffen werden
dürfen. Diese Methode ermittelt direkt die Delegation einer Organisation,
berücksichtigt Dales Qualitätsmerkmale aber ebenfalls nicht.
Blau und Schönherr schlagen zur Ermittlung des Grades der
Formalisierung vor, die Zahl der Wörter in den massgeblichen
Handbüchern zu zählen. Werden andere Methoden gewählt, so gilt
bei dieser Thematik natürlich generell die Dominanz objektiver Methoden
gegenüber subjektiver - es wäre ja blöd, den Formalisierungsgrad
mühsam zu erfragen, wenn er quasi offen herumliegt und nur gezählt
werden muss.
Falls aber dennoch eine Befragung zur Ermittlung des Grades der
Formalisierung durchgeführt werden sollte, dann ist darauf zu achten,
dass wohl nur die Untergebenen den Ist-Zustand der Formalisierung
wiedergeben, während die - meist aus Zeitgründen ausschliesslich
befragten - Schlüsselpersonen der Verwaltung lieber vom Soll-Zustand der
Formalisierung berichten - kein Verwaltungsbeamter wird zugeben, dass er
so manchen Formalismus regelmässig sausen lässt, um
dafür lieber ein Nickerchen im Büro macht.
Die Masse der Organisationsstruktur-Dimensionen erlauben es, die
Beziehungen zwischen den Organisationsstruktur-Dimensionen einer empirischen
Analyse zu unterziehen. Dabei ergeben sich die folgenden
Zusammenhänge:
-
Spezialisierung+ => Entscheidungsdelegation+
Pseudoerklärung: Wird für jeden Handgriff eine eigene Stelle
eingerichtet, verliert der Vorgesetzte rasch den Überblick über die
einzelnen Tätigkeiten seiner Untertanen - also lässt er sie in
den meisten Fällen selbst entscheiden, was zu tun ist. Wenn Mitarbeiter
mehr Entscheidungsbefugnisse bekommen, heisst das aber natürlich
nicht immer, dass auch deren Arbeitsfeld spezialisierter wurde.
-
Entscheidungsdelegation+ <=> Selbstabstimmung+, Programmierung/Planung+,
Formalisierung+
Pseudoerklärung: Wenn Arbeiter in ihre Arbeit selbst Entscheidungen
treffen dürfen, dann können sie sich auch untereinander besser
abstimmen, ohne den Boss zur Rate zu ziehen. Da dem Boss dies aber
nicht unbedingt passt, sorgt er über Pläne, Programme und
Formalismen dafür, dass die Arbeiter weiter nach seiner Pfeife
tanzen. Auch die Umkehrung gilt hier: Ist Selbstabstimmung erlaubt, existieren
umfangreiche Pläne, Programme und formale Regeln, dann ist der Meister
weniger präsent und die Arbeiter müssen mehr Entscheidungsrechte
haben.
-
Entscheidungsdelegation- <=> persönliche Weisung+
Pseudoerklärung: Wenn die Arbeiter nichts entscheiden dürfen (auch
nicht nach Plänen/Programmen/formalen Regeln), dann muss der Meister
dies für sie tun, was er in Form von persönlicher Weisung auch
vermutlich gerne macht.
-
Persönliche Weisung+ => Instanzen+, Hierarchie+, Leitungspanne-
Pseudoerklärung: Ein Chef, der das Zepter fest in der Hand hält
und sich jegliche Delegation verbittet, kann i.d.R. nur relativ wenige
Untertanen beaufsichtigen. Durchzieht dieses Prinzip die gesamte Organisation,
wird die Hierarchie sehr steil und die Ebenenanzahl hoch. Allerdings ist die
Umkehrung nicht immer gegeben: Eine Organisation kann eine ausgeprägte
Hierarchie haben und trotzdem alleine durch technokratische Koordination
geführt werden.
-
Programmierung/Planung+ => Formalisierung+, Stäbe+, Leitungsspanne+
Pseudoerklärung: Viele Programme und Pläne bedeuten natürlich
ein hohes Mass an Formalisierung. Ausserdem sind viele Stäbe
nötig, um die Pläne auszuarbeiten. Aber andererseits erlauben es
Pläne und Programme, dass Meister viele Arbeiter um sich scharen
können. Die Umkehrung gilt nicht zwangsläufig: Eine hohe
Leitungsspanne ist auch bei Selbstkoordination möglich, die ebenfalls
Stellenbeschreibungen und Unterstützung durch Stäbe verlangen
kann.
Wie oben festgestellt wurde, gehen wir von einem multivariaten Ansatz aus.
Im Gegensatz zu den Dimensionen der Struktur wollen wir die Dimensionen der
Situation unabhängig voneinander halten: Alles soll als relevant gelten,
sofern es nur die vorgefundenen Organisationsstrukturen zu erklären hilft.
Dadurch bleiben wir neuen Erkenntnissen bezüglich der Situation stets
offen. Um eine zu grosse Heterogenität zu verhindern (z.B. durch die
Hinzunahme der Managementphilosophie, der Organisationsziele, der Standorte
usw.) oder die Vermischung von objektiven und subjektiven Dimensionen zu
riskieren (z.B. von Grösse und den Konkurrenzverhältnissen),
scheint eine Untergliederung der Dimensionen der Situation jedoch sinnvoll zu
sein.
Um den Einfluss der Situation auf die Organisationsstrukturen
festzustellen, kann der Einfluss direkt erhoben werden oder indirekt,
indem nur der Einfluss auf die Spezialisierung ermittelt wird, die ja -
wie wir oben gesehen haben - auf die meisten anderen
Organisationsstruktur-Dimensionen wirkt.
Die internen Dimensionen der Situation betreffen alle Dimensionen, die von
einer Organisation direkt beeinflusst werden können, um sie so z.B.
der Organisationsstruktur anzupassen (etwa die Grösse einer
Organisation).
Die Organisationssoziologie und die BWL definieren Ziele (identisch mit
Leistungen, Angebote oder im weiteren Sinne auch den Strategien)
unterschiedlich: Nach der Organisationssoziologie bedingen die Ziele die
Organisationsstruktur (makrotheoretisch), während die BWL keine Auskunft
darüber gibt, welche Ziele welche Strukturen benötigen, sondern
bloss, wie Ziele das Verhalten der Mitglieder steuern können
(mikrotheoretisch). Der Situative Ansatz schlägt sich auf die Seite der
Organisationssoziologen, definiert Ziele daher präzise als Zusammensetzung
des Angebotsprogramms und erklärt sie zum wichtigsten Bestandteil der
Situation.
Das Leistungsprogramm lässt sich inhaltlich in Form von Branchen
klassifizieren. Branchen haben aber hinsichtlich ihrer Vergleichbarkeit
zueinander Mängel aufzuweisen, so besitzen z.B. verschieden Branchen
unterschiedliche Situationsfaktoren (die Werbebranche agiert in dynamischer
Umwelt und die Behördenbranche agiert in statischer Umwelt).
Ausserdem diversifizieren einzelne Unternehmen häufig gleich in mehrere
Branchen hinein. Aus diesen Gründen lässt sich das
Leistungsprogramm besser durch die Messung des Grades der Diversifikation und
Divisionalisierung bestimmen.
Nach Ansoff ist die Diversifikationsstrategie eine der vier
Wachstumsstrategien (die restlichen drei sind: Marktdurchdringung,
Marktentwicklung und Produktentwicklung). Sie bedeutet die Erschliessung
neuer Märkte mit neuen Produkten. Unterschieden werden dabei die Typen
vertikale (neue verwandte Produkte), horizontale (Aufkauf der Absatzwege) und
laterale (völlig neue Produkte) Diversifikation. Extern ist die
Diversifikation, falls Neues aufgekauft wird und intern, wenn sie aus eigener
Kraft Neues erst erschafft.
Die Beliebtheit der Diversifikation hat natürlich ihre Gründe: Sie
streut das Risiko, erschliesst Wachstumsmärkte, macht Unternehmen
unabhängiger, nutzt Synergien besser und verhilft zu mehr Marktmacht. Daher
wird sie auch immer mehr praktiziert, wie Rumelt mithilfe der Channon-Klassen
(svw.) bewies - obwohl ihr Erfolg keinesfalls garantiert ist, sondern bloss
eher vom Geschick der Manager abhängt, die sie durchführen. Unternehmen,
die alle Investitionen in das eigene Geschäft fliessen lassen
müssen - etwa die Öl- und Stahlindustrie - gelten als
Wenig-Diversifizierer. Weitere Barrieren der Diversifikation sind: geringe
Manager-Reserven, wenig Know-how in anderen Gebieten und ein latenter
Ressourcen-Mangel. Ausserdem sperren sich häufig auch die
Aktionäre und Eigentümer gegen eine Diversifikation, weil sie um einen
Machtverlust fürchten, wenn das Unternehmen solchermassen gesplittet
wird.
Als Folge des erhöhten Koordinationsaufwands durch die Diversifikation
werden funktionale Organisationen - meist über den Umweg von Holdings (mit
und ohne Stäbe) - in divisionale Organisationen umgewandelt, was Chandler
mit dem Satz kennzeichnete: "Structure follows Strategy". Da aber unsinnigerweise
auch viele Haupt-Gruppen-Unternehmen, also Unternehmen, deren Gesamtumsatz auf
hauptsächlich ein Produkt zurückgeht, divisionalisierten, formuliert
Rumelt ironisch das "Gesetz": "Structure follows Fashion". Franko bringt den
Diversifikation-Divisionalisierung-Zusammenhang auf den Punkt: Nicht nur alleine
die Diversifikation, sondern die dynamischer werdenden Märkte der
Nachkriegszeit waren und sind ausschlaggebend für die Divisionalisierung
so vieler Unternehmen.
Als Vorteile kann die Divisionalisierung für sich verbuchen, dass
sie die Produktmarktausrichtung und die Motivation der Mitglieder erhöht,
und dass sich durch sie die Führung besser auf das alleinige
Führen konzentrieren kann. Nachteilig ist, dass der Situative Ansatz
keinerlei Gestaltungsempfehlungen bei der Divisionalisierung geben kann. Zu
klären ist:
- Welches Produkte soll zu welcher Division gehört?
- Für welche steuernden Funktionen sind Zentralabteilungen einrichten?
-
Wie sollen Verrechnungspreise, Informationssysteme und Rechtsform der
Geschäftsbereiche gestaltet werden, um dadurch z.B. Subventionen oder
steuerliche Vorteile zu erhalten?
- Wie ist die Leitung zu besetzen (in Deutschland kollegial, in USA CEO)?
Zur Grösse einer Organisation ist nur zu sagen, dass der
Glaube, die Grösse einer Organisation wachse zu bestimmten Zeiten in
Sprüngen (in sogenannten Metamorphosen, weil diese Vorstellung einer
hässlichen Raupe gleicht, die sich zum schönen Schmetterling
mausert), wobei sie eine bestimmte Reihenfolge einhält, hat sich nicht
empirisch bestätigt. Man kann eher von gleichmässigen
Übergängen ausgehen, deren Reihenfolgen und Timing in keiner Weise
vorhersagbar sind.
Das ein Zusammenhang zwischen Fertigungstechnik und Organisationsstruktur
besteht, sagt uns unser gesunder Alltagsverstand (bei einer
Fliessfertigung auf persönliche Weisung zu bestehen, anstatt ein
Programm zu formulieren, scheint uns z.B. wenig sinnvoll zu sein). In welchem
Ausmass aber die Fertigung die Strukturen prägt, das können uns
nur empirische Studien aufzeigen.
Die moderne Fertigungstechnik schliesst auch die Informationstechnik
mit ein. So weit sie die Fertigung betrifft, ist hier v.a. CIM zu nennen, das
aus den Subtypen CAM, CAD (für technische Zeichnungen und
Stücklisten), CAP (zur Planung), CAQ (zur Qualitätskontrolle durch
Soll-Ist-Vergleich) und PPS (z.B. COPICS) besteht. Die einzelnen Subtypen sind
i.d.R. über ein DBS vernetzt, doch dies ist bisher branchenspezifisch
gesehen nur partiell geschehen. Im Zusammenhang mit dem Situativen Ansatz
versucht CIM, die Sachzwänge, die der Situative Ansatz aufzeigt, zu
umgehen, indem es neue Freiheitsräume einräumt (die aber nicht
unbedingt real von Nutzen sein müssen, denn bisher wurden die
CIM-Möglichkeiten noch nicht voll ausgelotet).
Nach Scheer beinhaltet ein PPS die Auftragssteuerung, die
Primärbedarfsplanung (Bedarf an Endprodukten), die allgemeine
Bedarfsplanung, die die eigenbezogenen bzw. fremd bezogenen Fertigungsaufträge
liefert, den Kapazitätsabgleich, die Zeitplanung, die Auftragsfreigabe, die
Fertigungssteuerung und die Betriebsdaten-Erfassung.
Warum aber werden neue Fertigungstechnologien überhaupt eingesetzt?
Warum genügen die alten Verfahren nicht mehr? Antwort: wegen des
gestiegenen Konkurrenzdrucks durch die Internationalisierung. Es muss nun
stärker auf die Bedürfnisse der Käufer eingegangen werden als
früher, d.h. die Typenvielfalt, Termintreue und die Qualität der
Produkte müssen höher sein, die Preise und Innovationszyklen dagegen
niedriger. Flexibilität ist das Motto der Zeit.
Die neuen Methoden, die die Informationstechnik anbietet, wurden erst
ziemlich spät zur Flexibilitätssteigerung eingesetzt, denn die
Manager hatten wieder einmal Angst, ihnen könnte dadurch ein Stück
Macht verloren gehen. Vorher versuchten sie:
- die Modulbauweise für neue Produkt-Kombinationen zu nutzen.
- Produkte fertigungsgerechter zu produzieren.
- neue Materialien einsetzten.
Die neuen Fertigungstechniken wirken sich v.a. vertikal aus, d.h. durch eine
verstärkte Dezentralisierung bzw. Zentralisierung der Entscheidungen. Am
Arbeitsablauf änderte sich dagegen wenig, da die Informationstechnik das
Potenzial bietet, sich der gegebenen Situation anzupassen.
Theoretisch gesehen erlaubt die Informationstechnik die Schaffung von
technokratischer (z.B. Fliessbänder) oder anthropozentrischer
Fertigung (z.B. in Form von Fertigungsinseln mit teilautonomen Gruppen).
Dennoch ist ein Strukturkonservatismus in den Organisationen nicht von der Hand
zu weisen. Warum eigentlich? Nach Brödner bzw. Child spricht gegen das
anthropozentrische Gestaltungskonzept:
-
Die Qualifikation und damit das Lohnniveau müssten wachsen, ja,
wäre sogar evtl. mit einem Engpass auf dem Arbeitsmarkt
verbunden.
-
Der Erfolg ist schwer abschätzbar (im Gegensatz zur Intensivierung alter
Techniken, die relativ risikofrei ist).
- Angst der Manager vor Machtverlust.
-
Die gängigen SW-Pakete sind für die alten zentralistischen
Hierarchien gedacht, woraus eine Art technischer Determinismus für die
Gestalter folgt.
-
Aber vor allem: Das tayloristische Denken herrscht vor. Warum etwas
ändern, was sich so bewährt hat?
Die Informationstechnik kann radikale Wirkung auf die Strukturen von
Organisationen haben - z.B. soll erst das Telefon eine Trennung von Fertigung und
Verwaltung ermöglicht haben. Bis Anfang der 70er besassen die IT noch
geradezu deterministische Wirkung auf die Organisationsstruktur. Erst ab den
frühen 80ern haben die Rechenzentren begonnen, EDV-Fachkräfte in Abteilungen
zu verteilen und den Zentralismus etwas zu lockern: Strukturen und IT wurden zu
dieser Zeit immerhin schon simultan entwickelt. Die Fiktion vom papierlosen
Büro, von Telearbeit und Stabswegfall kam aber nie zustanden. Dies
änderte sich auch bis heute nicht, allerdings lässt sich moderne IT
inzwischen vollständig an die gegebenen Strukturen einer Organisation
anpassen. Die PCs, die LANs, die Datenbank-Systeme und die Information Retrieval
Systeme (IRS) bereichern zweifellos die Betriebe. Dennoch schaffen sie es nicht,
die Face-to-Face-Kommunikation durch Bildtelefone oder Stäbe durch
Experten-Systeme (XPS) zu ersetzten. Häufig dient die IT nur als Terrain
für Geltungsbedürftige, die anonyme Junk-Mails versenden oder mit
Big-Brother-Bestrebungen schwanger gehen.
Im Einzelnen bietet die Informationstechnologie:
- Kommunikationswerkzeuge (E-Mail, Voice-Mail, Videokonferenzen).
- Informationsspeicherung und -retrieval (DBS, IRS).
- Informationsverarbeitung (Textverarbeitung, Terminkalender).
Zu sagen bleibt noch, dass die Organisationsgestalter hinsichtlich
neuer IT den Situativen Ansatz nicht sonderlich schätzen, da dieser ihnen
Sachzwänge aufzeigt, die trotz der neuartigen IT-Flexibilität gegeben
bleiben - und Manager lassen sich nun einmal nicht gerne vorschreiben, wie sie
sich zu entscheiden haben. Vorteilhaft bei der IT ist aber die Möglichkeit,
Downsizing-Konzeptionen unter Verzicht auf Systemanalytiker durch ausgefeilte
Software zu überprüfen.
Die externen Dimensionen der Situation sind die Dimensionen, die von einer
einzelnen Organisation nicht direkt beeinflusst werden können (nur
evtl. von vielen Organisationen einer Branche zusammen), sodass die
Organisationsstrukturen sich diesen Situationsdimensionen anpassen
müssen.
Einflüsse auf die Organisationsstrukturen erlangt die externe Umwelt
nach Porter durch:
-
die Konkurrenzverhältnisse (abhängig von Anzahl,
Ausgangsbedingungen, Austrittsbarrieren usw.)
-
die Abnehmer bzw. andere Unternehmen (abhängig von Anzahl,
Umsatzanteil, Informationsgrad, Qualitätsansprüche,
Möglichkeiten der Rückwärtsintegration usw.)
-
die Lieferanten (abhängig von Anzahl, Umstellungskosten für
Unternehmen, Vorwärtsintegrationsmöglichkeiten usw.)
-
die Ersatzprodukte (abhängig von z.B. der Marktdynamik)
Nach Jurkovich lassen sich drei Dimensionen für die Umwelt aller
Organisationen (also auch von nicht-ökonomischer Natur) bestimmen:
-
Komplexität: Zahl, Verschiedenheit und Verbreitung der externen
Faktoren, die bei einer Entscheidung zu berücksichtigen sind.
-
Dynamik: Häufigkeit, Stärke und Irregularität von
Änderungen.
-
Abhängigkeit: Die Abhängigkeit der Organisation von anderen
Ressourcenstellern ist umso höher, je weniger potenzielle Partner
existieren.
Organisationen haben zwei Möglichkeiten, auf die Umwelt zu
reagieren:
-
Sie können durch Diversifikation (Rückwärtsintegration
der Lieferanten), Abstimmung mit anderen Organisationen, Bestechung, Joint
Ventures, PR und Lobbyismus, d.h. durch Schaffung kollektiver Strukturen auf
die Umwelt einwirken.
-
Sie können sich der Umwelt anpassen, indem sie z.B. ihre
Flexibilität durch Erhöhung der Innovationsrate erhöhen.
Nach Angle und Van de Ven stellen sich Innovationen als Reise ins Ungewisse
dar ("Innovationsreisen"), mit den folgenden Phasen:
-
Initiationsphase: Die Organisation geht mit der Innovation schwanger,
doch erst Schocks durch die Konkurrenz bewirken die reale Planausarbeitung.
-
Entwicklungsphase: Die Konzepte werden aufgesplittert in Teilaufgaben,
die dann von Projektteams erfüllt werden. Dazu ist zuvor eine Involvierung
der nötigen Mitglieder vorzunehmen.
-
Implementierungsphase/Beendigungsphase.
Team-Ergänzungsstrukturen werden häufig gebraucht, weil die
Kooperation zwischen Abteilung Probleme bereitet, diese Kooperation für die
Durchsetzung einer Innovation aber unbedingt nötig ist. Die Probleme ergeben
sich aus dem Umstand, dass die Abteilungen ursprünglich nach homogenen
Aspekten gestaltet wurden, sodass zwischen den untereinander heterogenen
Abteilungen die Schnittstellen fehlen. Natürlich lassen sich Abteilungen auch
nicht gerne von anderen in ihrer Arbeit reinreden. Eine Linderung dieser
Problematik ist zu erreichen, wenn Kooperationsstrategien gelernt werden, die
Beteiligten frühzeitig zusammengebracht werden (dadurch setzt sich eine
Innovation letztlich auch schneller durch) und auf Experten weitgehend verzichten
wird, sodass es nur noch Beteiligte gibt.
Um die Organisationsziele zu erreichen, ist unbedingt auch die Motivation
der Mitglieder zu beachten, wie wir später noch sehen werden. Nur, wie
hält man die Innovation in Teams hoch? Mögliche Antworten:
-
Durch Rollengefüge, die den Gruppeneinfluss auf die Ressourcen
sichern. Z.B. Einsatz von Macht-, Fach- und Prozesspromotern
(=Motivator).
-
Durch Führung, die die Besonderheiten der Innovationen beachtet. Sie
sollte daher wechseln können zwischen visionärem (das Paradies
erblickendem), partizipativem (einmal Coach, einmal Konfrontierer) und
transaktionalem (jeder Teilschritt findet Belohnung) Stil.
-
Durch Anreizsysteme, die eine motivationsfördernde
Organisationskultur schaffen, wo also extrinsische bzw. intrinsische Faktoren
die Mitglieder beeinflussen. Dies ist bei Projekten sicher schwieriger zu
erreichen als bei Routineaufgaben (gibt man den Projektoren mehr Geld, meckern
die Routiniers), was man auch daran erkennen kann, dass gerade Forscher
besonders schwer zu motivieren sind, da sie - weil sie selten
Managerqualitäten besitzen - eine höhere Position kaum zu
schätzen wissen. Hier sind z.B. duale Hierarchien, also "Ordens"-Vergabe,
öffentliche Belobigungen u.ä. recht hilfreich.
Diese Dimension schafft Umweltprobleme für eine Organisation, da die
Konkurrenz evtl. um gleiche Abnehmer und Lieferanten buhlt wie sie selbst.
Gefahren drohen durch Preissenkungen, Werbung, Produkt-Varianten und
langfristige Verträge, die an die Konkurrenz gehen. Es gilt: Die
Konkurrenz-Intensivierung (besonders durch neue Konkurrenz) steigert die
Umweltdynamik, auf die sich die Organisation durch Änderung ihrer Struktur
einstellen muss (z.B. indem sie Teams in Selbstabstimmung arbeiten
lässt, damit sie Innovationen durchsetzten können).
Die Technologie-Dynamik verlangt unbürokratische Strukturen in einer
Organisation (im Gegensatz zur Konkurrenz-Dynamik, wo bürokratische
Strukturen die Innovationsfreudigkeit im Bezug auf Produkte erstaunlicherweise
erhöhen können, z.B. in Form eines formalen Vorschlagwesens).
Näheres dazu werden wir uns bei der Operationalisierung dieser Dimension
ansehen.
Unter Internationalisierung verstehen wir die Strategie der Ausweitung der
Geschäftstätigkeit ins Ausland. Wir müssen uns hier Fragen: Sind
kulturspezifische Besonderheiten im Hinblick auf die Organisationsstrukturen zu
beachten? Dazu existieren zwei polare Thesen:
-
Die Organisationsstruktur ist ein rationales Gebilde zur Lösung
ökonomischer Probleme, da existiert kein Platz für kulturelle
Gestaltungsspielräume! Hier bekommt die Rationalität einen
übernationalen Stempel aufgedrückt.
-
Die Organisationsstruktur muss auch langfristig den kulturellen
Gegebenheiten Rechnung tragen, um Überleben zu können!
Rationalität scheint hier bis zu einem gewissen Grad übernational zu
sein, aber nicht unbedingt auch auf lange Sicht.
Wenn man sich die Strategien international erfolgreicher Unternehmen
ansieht, findet man schnell heraus, dass die zweite These zutrifft. Hierzu
ein paar Beispiele:
-
In Frankreich ist die Leitungsintensität grösser, die
Hierarchien sind steiler und es sind mehr Stäbe vorhanden als z.B. in
Deutschland. Besonders bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass der
französische Wasserkopf nicht schlechter, sondern besser verdient als der
deutsche. Der offensichtliche Grund: Die französische (also
kulturabhängige) Ausbildung ist eher breit, die in Deutschland dagegen eher
berufsspezifisch.
-
In Japan existieren Prinzipien, die dem westlichen Ökonomen die Haare zu
Berge stehen lassen: Es gibt kaum Spezialisierung, nur wenig Formalismus, dafür
viel Gruppenverantwortung, es herrscht das Senioritätsprinzip vor und von den
Arbeitnehmern wird eine allgemein breite Qualifikation erwartet. Trotzdem sind die
Japaner dabei, sich wirtschaftlich für den verlorenen 2.Weltkrieg zu
rächen. Der Grund für diesen Erfolg: Die Japaner sind im Gegensatz zum
Westen viel kollektiver orientiert. Warum? Im Mittelalter existierten in
Japan wie in Europa die gleichen feudalen Systeme, die die Klassengesellschaften
etablierten. Doch der Konfuzianismus predigte im Gegensatz zum Christentum einen
gesellschaftlichen Erfolg auf Erden, indem z.B. die hierarchischen Strukturen
eingehalten würden. Das führte dazu, das in den japanischen
Familien nur einer alle Rechte, die anderen dagegen alle Pflichten zu
übernehmen hatten - ein Prinzip, welches sich auch in der Wirtschaftswelt
niederschlug. Und die im Fernen Osten vollzogene Industrialisierung entsprang auch
keinem bürgerlichen Gewinnstreben wie in Europa, sondern dem Versuch, Japans
Identität zu retten und unabhängig zu erhalten.
-
In Europa galten die Zünfte als kollektivistische Systeme, die durch
die in den Kreuzzügen herein geholten Orientalen jedoch mächtige
Konkurrenz bekamen. Gegenkonkurrenz war die Folge, namentlich z.B. mit der
Fugger gekennzeichnet. Die Renaissance schuf bei den Fürsten ein
Individualbewusstsein, die Reformation im Anschluss daran auch bei
der breiten Masse. V.a. der Protestantismus ging laut Weber mit dem
Kapitalismus konform, da bei beiden Weltsichten der (wirtschaftliche) Erfolg im
Mittelpunkt stand. Die auf die Französische Revolution folgende
Liberalisierung institutionalisierte schliesslich den gesellschaftlichen
Egoismus auf ganzer Breite.
Hypothetisch lässt sich nach dem Gesagten vermuten, dass die
Strukturen einer Organisation im Westen den kulturbedingten Egoismus der
Mitglieder in gewünschte Bahnen lenken sollen, während sie im Osten
v.a. die kulturbedingte Gruppenarbeit unterstützen sollen. Infolgedessen
unterscheiden sie sich natürlich im Westen und Osten erheblich
voneinander.
Wie die Diversifikation ist auch die Internationalisierung ein Steckenpferd
der Manager. Als Gründe nennen sie:
- Ressourcensicherung.
- Economies of Scale (Kostenvorteile durch Massenproduktion).
- Economies of Scope (Wissensaustausch).
-
Risikomanagement wird erleichtert (weil mitexpandierende Lieferanten von
der Organisation abhängiger werden).
Sehen wir uns noch einmal an, wie die Internationalisierung zustande kommt: Wenn
funktionale Organisationen diversifizieren, also neue Märkte mit neuen
Produkten in Angriff nehmen, dann bekommen sie Koordinationsprobleme, da neue
Produkte i.d.R. auch neue Abteilungen erfordern, um das Know-how zu ballen und die
Aussendienstler nicht zu überfordern. Die funktionale Koordination wird
also zuerst erweitert. Doch dies genügt oftmals nicht: Zusätzlich ist
eine gruppenspezifische Koordination nötig, damit die einzelnen Abteilungen
auch zusammenarbeiten. Aber auch die Bildung von Produktmanagements und Komitees
müssen als zu halbherzig bezeichnet werden, um den allgegenwärtigen
Abteilungsegoismus überwinden zu können ("Wir haben jetzt keine Zeit,
für euer blödes Produkt eine Werbestrategie zu entwickeln"). Man geht
also dazu über, neue Produkte über Töchter zu vertreten, die direkt
im neuen Markt angesiedelt werden, also internationale Holding-Strukturen zu
bilden. Dass diese Form der Internationalisierung auch noch ihre
Koordinationsprobleme hat, beweist die Tatsache, dass es noch andere Formen
der Internationalisierung gibt. Eine davon sehen wir uns gleich an, zu den anderen
kommen wir später.
Eine relativ neuartige Form der Internationalisierung ist das sogenannte
integrierte Netzwerk. Bartlett stellt uns diesbezüglich den
Philips-Konzern als Musterbeispiel vor. Dessen USA-Töchter sind
zuständig für alle Absatzstrategien, die Japan-Töchter sind
zuständig für alle Konkurrenz-Strategien und die englischen
Töchter haben die alleinige Führerschaft, was Innovationen angeht.
Das Topmanagement in den Niederlanden stimmt bloss noch die Töchter
ab, nennt die übergreifenden Ziele und richtet Projektgruppen ein - und
sackt die meiste Kohle ein.
Die Diversifikation lässt sich messen, in dem man die Produkte
zählt, die ein Unternehmen herstellt. Das ist nicht ganz so einfach, wie
es sich anhört: Es gibt z.B. Abgrenzungsprobleme zwischen echt
verschiedenen Produkten oder blossen Varianten des gleichen Produkts. Die
wirtschaftliche Bedeutung eines Produktes lässt sich anhand seines
anteilmässigen Umsatz berücksichtigen.
Zur qualitativen Messung der Diversifikation schuf Channon (1973) ein
Vier-Klassen-Schema:
-
1.Klasse: Ein-Produkt-Unternehmen, z.B. ein Eisverkäufer.
-
2.Klasse: Haupt-Produkt-Unternehmen, d.h., ein Produkt macht mindestens 70%
des Umsatzes aus, z.B. Kinos (70% für Lichtspiele, 30% für
Nahrungsangebot wie Popcorn).
-
3.Klasse: Unternehmen mit verwandten Produkten, z.B. Supermärkte.
-
4.Klasse: Unternehmen mit nicht-verwandten Produkten, z.B.
Warenhäusern, wo man sich u.U. vom Hamster bis zu einer Reise zum Mond
alles besorgen kann.
Als Masse der Grösse bieten sich an: die Zahl der
Mitarbeiter, der Umsatz, das Anlagevermögen, die Bilanzsumme, ... Da die
Masse stark miteinander korrelieren, genügt eines davon als
Indikator. Hinsichtlich der Organisationsstrukturen erscheint uns am
sinnvollsten die Zahl der Mitarbeiter.
Der Situative Ansatz hat im Bezug auf die Grösse einer Organisation gezeigt:
-
Die Leitungsintensität nimmt bei grossen Organisationen ab!
Wegen der Konjunkturabhängigkeit der Leitungsintensität ist dieses
Ergebnis schwere beweisbar, jedoch ist es plausibel: Die Spezialisierung
erlaubt eine erhöhte Programmierung bzw. Planung und zudem gilt das
Parkinsonsche "Gesetze", dass der Wasserkopf sich selbst
vergrössert, sich also so viel Untergebenen heranzieht wie
möglich.
-
Für alle Branchen in allen Kulturen gilt: Die Delegation, die
Professionalisierung und die Spezialisierung wachsen degressiv mit der
Organisationsgrösse! Das macht man sich leicht klar, wenn man sich
vorstellt, dass es in einer grossen Organisation mehr Arbeit und
damit auch mehr zu Spezialisieren und Delegieren gibt, Spezialisierung und
Delegation aber natürliche Grenzen gesetzt sind, der Mitarbeiteranzahl
aber kaum.
-
Je mehr Niederlassungen eine Organisation besitzt, um so weniger delegiert
sie ihre Entscheidungen!!! Ein in der Tat erstaunliches Ergebnis. Vermutlich
versucht hier die Mutter, die Töchter unter Kontrolle zu halten, z.B.,
was das Image und die gemeinsame Strategielinie angeht. Schliesslich haften
Eltern für ihre Kinder.
-
Je grösser eine Muttergesellschaft ist, um so eher färben
ihre Strukturen auf die der Töchter ab! Das ist nachvollziehbar: Ein
grosse Mutter ist eine dominante Mutter, ist also eine Mutter, der man
sich besser anpasst.
Nach den vorhandenen Betriebsmitteln unterschieden existieren folgende
qualitativen Fertigungstechnologie-Typen:
-
Werkstattfertigung: Es existieren Puffer, die Stellen werden nach dem
Verrichtungsprinzip spezialisiert, z.B. Fräserei, Bohrerei und Dreherei.
-
Reihenfertigung: Es werden durch die zeitliche Abstimmung der einzelnen
Stellen keine Puffer benötigt.
-
Fliessfertigung: Hier sorgen Fliessbänder dafür,
dass alle Teile zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle sind - Puffer
sind daher nicht nötig.
-
Prozessfertigung: Hier machen Maschinen alles alleine. Der Menschen
wird nur noch als Kontrolleur benötigt.
Nach der Ausbringungszahl unterschieden gibt es die qualitativen
Fertigungstechnologietypen Einzel-, Serien- und Massenfertigung.
Fertigungstechnologien lassen sich ausserdem unterscheiden, indem man
festgestellt, ob sie mechanisiert (in Form manueller Fertigung) oder eher
automatisiert (in Form selbststeuernder Aggregate) sind.
Für welchen der vorgestellten Fertigungstechnologietypen man sich zur
qualitativen Operationalisierung letztlich entscheidet, hängt davon ab,
welcher Typ in der Organisation insgesamt vorherrscht.
Kommen wir nun zu den Informationstechniken im Bereich der Fertigung.
Mögliche graduelle Ausprägungsformen des CIM-Subtyps CAM sind:
- NC-Maschinen: lochstreifengesteuerte Stand-alone-Maschinen.
- CNC-Maschinen: prozessgesteuerte, remote-programmierbare Maschinen.
- DNC-Maschinen: vernetzte NC-Maschinen. Gleiche Software für alle!
- Bearbeitungszentrum: umrüstbare Maschinen mit NC-Steuerung.
-
Flexible Fertigungszellen: Umrüstbare NC-Maschinen arbeiten zusammen
an einem Produkt.
-
Flexible Fertigungssysteme: wie flexible Fertigungsstellen, diesmal nur
über einen zentralen Rechner steuerbar.
-
Führerlose Transportsysteme: programmgesteuerte Prozessfertigung
mit fahrenden Robotern.
- Industrieroboter: sensorgesteuerte Prozessfertigung.
Der Einfluss der Fertigungstechnologie-Situation auf die Strukturen
einer Organisation nach dem Situativen Ansatz:
-
Werkstattfertigung: Weil hier jeder alles macht, ist die Spezialisierung
gering und die Koordination innerhalb der Werkstatt durch persönliche
Weisung und Selbstabstimmung ebenfalls gering - nach aussen hin jedoch
wegen der Unplanbarkeit der Vorgänge trotz der Puffer relativ hoch.
-
Fliessfertigung: Die Spezialisierung ist hier hoch, weil jeder nur
noch ein paar Handgriffe erledigt. Im Betrieb ist die Koordination durch
Planung bzw. Programmierung bzw. den Fliessbandvorgaben niedrig, wegen
fehlender Puffer nach aussen hin aber relativ hoch.
-
Prozessfertigung: Die Spezialisierung ist hier niedrig, weil nur noch
Kontrolleure nötig sind. Die Koordination nach innen ist wegen der
Notwendigkeit der Planerstellung hoch und auch nach aussen hin, weil die
Puffer fehlen. Koordiniert wird hier v.a. nach Planung, Selbstabstimmung und
persönlicher Weisung.
Kern und Schumann beobachteten, dass die Automatisierung nicht nur eine
Dequalifizierung (z.B. die Stelle des Packers), sondern auch eine
Qualifizierung (z.B. die Stelle des Kontrolleurs) der Stellen, also eine
Polarisation der Stellenqualifikation, mit sich bringt.
Und zuletzt gilt: Je kleiner eine Organisation ist, umso eher wirkt sich die
Fertigungstechnologie-Situation auf ihre Organisationsstrukturen aus!
Hierzu könnte man z.B. die Zahl der Computer oder Telefone pro
Arbeitnehmer feststellen, oder jede Absendung von E-Mails registrieren lassen,
oder über Befragung der Mitglieder herausbekommen, welches Medium sie wie
oft für was benutzen.
Burns und Stalker erfassen die Umweltdynamik durch subjektive
Einschätzung der Organisationsleitung und teilen die Umwelten danach in
statische oder dynamische ein. Khandwella macht etwas Ähnliches mithilfe
von Skalierungstechniken. Nach Aiken und Hagen spiegelt auch die
Produktinnovationszahl die Dynamik wieder.
Der Verschuldungsgrad gibt Auskunft über die Abhängigkeit einer
Organisation von anderen Organisationen. Pugh unterscheidet hierbei zwischen
Abhängigkeit von der Mutterorganisation und Abhängigkeit von den
Lieferanten.
Zur Bestimmung der Komplexität der Umwelt kann man die
Organisationsleitung auf einer Tafel alle empfundenen
Einflussgrössen ankreuzen lassen. Summiert man dann die Kreuze
und prüft, inwieweit sie untereinander zusammenhängen, kann man
daraus auf den Grad der Komplexität schliessen.
Lorsch und Lawrence messen die Umwelt-Situation, ohne sie in die
Teildimensionen Einfluss, Komplexität und Dynamik zu unterteilen,
indem sie nur die empfundene Ungewissheit der Entscheider bei der
gegenwärtigen Umweltsituation erfragen. Uns erscheint dieses Mass aus
zwei Gründen wenig sinnvoll: Drei operationalisierte Teildimensionen sind
aussagekräftiger als nur eine Masszahl, und es ist gut möglich,
dass diese eine Masszahl etwas ganz anderes misst, als die
Umwelt-Situation.
Generell ist bei der Messung der Umwelt-Situation eine
Besonderheit zu beachten: Die subjektiven Einschätzungen sind den objektiven
Sachverhalten vorzuziehen! Wir gehen ja davon aus, dass die Gestalter die Strukturen
einer Organisation bestimmen - und die empfinden die Umwelt-Situation natürlich
subjektiv. Ausserdem sind in diesem Fall Befragungen der
Schlüsselpersonen sicher billiger als objektives Erhebungsmaterial zu
erschliessen. Doch Obacht, die Befragung birgt die üblichen
Nachteile: Schlüsselpersonen reden gerne vom Soll-Zustand oder sie
übertreiben den Ist-Zustand, denn wie Kieser richtig fragt: Welcher Manager
gibt schon zu, in einer statischen Umwelt zu leben?
Flexible (und damit innovationsfördernde) Strukturen sind nach dem
Situativen Ansatz gegeben, wenn:
- die Spezialisierung niedrig ist => Autonomie ist hoch.
- die Delegation ausgeprägt ist => Dienstwege sind klein.
- keine starren Hierarchien vorliegen.
- wenig Stäbe existieren => Autonomie ist hoch
- statt fixer Matrixstrukturen temporäre Teams eingesetzt werden.
- Selbstabstimmung und Organisationskultur ausgeprägt sind.
Team-Varianten gibt es viele. Qualitativ lassen sich z.B. die Folgenden
unterscheiden:
-
Innovationsworkshops: Es werden temporäre Gruppen zur Lösung
bestimmter Probleme eingesetzt.
-
Qualitätszirkel: Es finden periodisch-fixe Treffen der
Abteilungsmitglieder statt.
-
Produktkomitee: Es werden fixes Koordinationsteams für ein bestimmtes
Produkt eingerichtet.
-
Projektgruppen: Das sind stärker formalisierte
Innovationsworkshops.
-
Interne Venture Teams: Das sind Unternehmen in Unternehmen, die helfen
sollen, Spin-offs zu vermeiden (z.B. Debis bei Mercedes Benz).
Downey lässt die Organisationsleitung subjektiv abschätzen,
wie viele Konkurrenten sie haben.
Die empirischen Untersuchungen zeigen, dass in konkurrenzdynamischen
Umwelten der Grad der Spezialisierung wächst (!), ebenso die
Dezentralisierung, aber auch die Programmierung bzw. Planung (!), um der
Dynamik gerechter werden zu können. Vor dieser Aussage muss der
Situative Ansatz kapitulieren; er kann sie nicht plausibel machen (im Gegensatz
zu den evolutionären Ansätzen). Dass auch die Formalisierung zunimmt,
lässt sich dagegen auf die neuen Stellenbeschreibungen
zurückführen.
Dies widerlegt die These, dass bürokratische Strukturen in
dynamischen Umwelten zu starr sind, um erfolgreich sein zu können. Das
sind sie nur dann, wenn die persönliche Weisung (nicht aber der
Formalismus) überhand nimmt.
Tosi misst zur Technologiedynamik über einen längeren
Zeitraum die Varianz der Forschungsaufwände bzw. der Investitionen.
Die empirischen Untersuchungen zeigen, dass bei hoher
Technologiedynamik - anders als bei der Konkurrenzdynamik - nur eine Steigerung
der Selbstabstimmung zu beachten ist (was bekanntlich Innovationen sehr
förderlich sein kann)!
Nach Stopford (1972) lassen sich folgende aufsteigende, qualitative Klassen
der Internationalisierung ausmachen:
- Autonome selbstständige Tochtergesellschaften: Der Tochterleiter hat völlig freie Hand.
- Internationale Division: spezielle Einrichtung zur Koordination von (1)
- Globale Strukturen in Form von:
- weltweit operierenden Produktdivisionen (es fehlt die Kulturbeachtung).
- Gebietsdivisionen (weniger Economies of Scale).
- Matrixstrukturen (hohe Leitungsintensität).
- gemischten Strukturen (Produktdivision und Gebietsdivision nebeneinander).
Nach dem Situativen Ansatz gilt bezüglich der Klassen der Internationalisierung:
- Amis mögen (3), Japaner mögen (2) und Europäer (1).
- Je höher der Auslandsumsatz, desto höher ist die Internationalisierungsklasse!
- Je heterogener das Produktionsprogramm ist, desto eher kommen Produktdivisionen vor!
- Je höher die Auslandsproduktion, desto eher kommen Gebietsdivisionen vor!
- Je innovativer Organisationen sind, desto eher gestalten sie Produktdivisionen!
- Die Globalisierung der Produktdivisionen erhöht die Programmierung bzw. den Formalismus.
-
Die Organisationsstruktur wird beeinflusst von dem Bildungssystem,
den Werten und Normen und dem Rechtssystem einer kulturellen Gesellschaft.
Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Organisationskultur
nicht unbedingt innovationsfördernd sein muss, d.h., dass sich
z.B. eine Orientierung der Mitglieder nur an den Zielen ihrer Abteilungen
durchaus als effektiver erweisen kann. Möchte man innovative
Organisationskulturen schaffen, so muss man dazu vorher in entsprechender
Weise die Organisationsstruktur ändern (z.B. indem man Teams schafft).
Folgende Gestaltungsempfehlungen gibt der Situative Ansatz bezüglich
der Internationalisierung aus:
-
Globalisierungsstrategien nicht übertreiben, damit die Strukturen der
Organisation flexibel bleiben. Es kann immer passieren, dass in einem
Gebiet plötzlich ein technischer Durchbruch gelingt, und die
ortsansässige Organisation zum Forschungszentrum wird. Was, wenn dann alle
Strukturen durch Programme zu sehr verkrustet sind, um sich auf diese neue
Situation einzurichten?
-
Polares Konzepte erlauben: Je nach Produkt z.B. eine Globalisierung oder
eine Lokalisierung der Entscheidungen anstreben. Besser ist es aber, gleich ein
integriertes Netzwerk zu schaffen, d.h. Töchter zu Führern in
bestimmt Problembereichen benennen: Dadurch findet dann weder eine zentrale
noch regionale Führung statt, sondern eine verteilte.
Warum sind Organisationsstrukturen so, wie sie sind? Die Antwort darauf
muss - nachdem was wir jetzt alles wissen - immer noch enttäuschend
ausfallen. Weder die Situation noch deren Erweiterungen um Ziele und
Strategien, liefern eine befriedigende Erklärung, denn zu nahe stehen
sich all diese Begriffe - man müsste sie zuerst einmal präzisieren.
Welche Spielräume existieren bei der Gestaltung der
Organisationsstrukturen? Die Antwort darauf ist ebenfalls unbefriedigend. Sie
reicht vom Determinismus einiger Situativer Ansatz-Interpretationen, bis hin
zur beliebigen Wahlfreiheit der personalistischen Modelle.
Hierzu ein Vorschlag von Kieser: Es muss der
historisch-gesellschaftliche Kontext untersucht werden, um die Prinzipien des
Rechtssystems, der Kultur, des Bildungssystems und Wirtschaftssystems
aufzuspüren, die die Gemeinsamkeiten (nicht Unterschiede!) zwischen
verschiedenen Strukturen von Organisationen zu erklären vermögen. Die
Prinzipien geben die Rahmenbedingungen vor, die die Unternehmensverfassung,
die Sozialstruktur, das Formalziel und die Hauptprodukte einer Organisation bei
seiner Gründung beeinflussen. Sind diese Dinge erst einmal festgelegt, dann
ist die Gestaltung der Strukturen, der Strategien oder der Ziele einer
Organisation bereits begrenzt.
Für die Praxis schlägt Kieser weiter vor, dass man gezielt
nach bestimmt Zielräumen suchen sollte, dass man Extremfälle zur
Hervorhebung von Gestaltungsmöglichkeiten benutzt (was im krassen
Gegensatz zu dem steht, was der Situative Ansatz an Gestaltungstipps ans
Tageslicht befördert) und dass man Experimente mit der
Organisationsstruktur initiieren sollte, um im Trial-and-Error-Verfahren
innovative Strukturen austesten zu können.
Wird das Handeln der Organisationsmitglieder gesteuert durch formale Regeln
oder ist es eher das Ergebnis von Verständigungsprozessen bzw.
Interaktionsprozessen? Max Weber billigt den Strukturen starken Einfluss
zu (er nennt sie immerhin "eiserne Käfige"), ebenso der (deterministische)
Situative Ansatz. Die Vertreter interpretativer Ansätze sagen aber,
dass die Strukturen alleine noch kein Handeln bestimmen können, sie
seien eher die Resultate der vorhandenen Werte, Ideale und Symbole der
Handlungsträger.
Wir behaupten an dieser Stelle einfach: Beide Ansätze haben recht. Die
Strukturen einer Organisation beeinflussen ganz sicher das Verhalten der
Mitglieder, dazu müssen sie jedoch - zumindest zwischen den direkten
Interaktionspartnern - auf intersubjektive Weise interpretiert werden. Je nach
der Gewichtssetzung bildeten sich daraus zwei Verhaltenstheorien heraus: die
strukturelle und die interpretative Rollentheorie.
Diese Rollentheorie geht davon aus, dass Rollen (wie z.B. die Arzt-
oder Liebhaberrolle) durch andere Personen definiert werden, d.h. dass an
eine Rolle generalisierte Erwartungen geknüpft sind (wie z.B. weisse
Kleidung oder ungestüme Leidenschaft). In Organisationen werden Rollen in
Form von Stellen durch formale Vorgaben definiert. Und diese formalen Vorgaben
sind das Resultat der Erwartungen der Vorgesetzten, der Kollegen, der
Untergebenen, der organisationsexternen Partner, der Rolleninhaber selbst und
sogar durch die Technik (wenn z.B. ein Computer den Benutzer zu einem
bestimmten Rollenverhalten nötigen kann).
Es existieren einmal Interrollenkonflikte, wenn z.B. die
Sachbearbeiterinnen-Rolle mit der Mutterrolle kollidiert, und es existieren zum
anderen Intrarollenkonflikte, wenn z.B. bei Matrixstrukturen mehrere
Vorgesetzte gleichzeitig unvereinbare Erwartungen an einen Rollenträger
knüpfen.
Diese Theorie geht davon aus, dass Rollen nicht durch andere Personen
definiert sind, sondern jedes Mal neu interpretiert werden müssen (das
wollte die strukturelle Rollentheorie gerade verhindern). Das
Role-Taking-Prinzip in Verbindung mit dem Role-Making-Prinzip hilft einem
Interaktionspartner hierbei: Die Handlungsabsichten werden gegenseitig erkannt
und können daher erwartungsgemäss befriedigt werden.
Laut Kieser ist die interpretative Rollentheorie v.a. deshalb besser zur
Erklärung des Verhaltens von Mitgliedern geeignet, da sie neben der
offiziellen Rolle auch die inoffizielle Rolle jedes Stelleninhabers
erfasst.
Welchen Einfluss haben die formalen Regeln auf das Handeln der
Mitglieder? Wir können antworten:
-
formale Regeln schreiben bestimmt Handlungsweisen in bestimmten
Situationen in verbindlicher Weise vor. Sie sind Bestandteile des
Arbeitsvertrages, und also legitim. Bei Nichteinhaltung erfolgen i.d.R.
Sanktionen. Um sie einhalten zu können, müssen sie interpretiert
werden, wozu häufig ein spezielles Berufswissen nötig ist. Sie
beeinflussen das Verhalten der Mitglieder in prägnanter Weise. Aus diesem
Grund sind Teams und Selbstkoordination - dem Situativen Ansatz zur Freude -
brauchbare Indikatoren für die Strukturen einer Organisation.
-
Neben den formalen Regeln trägt der Mensch sogenannte Skripte im
Kopf mit sich herum, die ihm ein prototypisches Handeln in bestimmten
Situationen vorgeben können. Dadurch wird er bei der Lösung von
Ad-hoc-Problemen entlastet, was zwar Zeitvorteile bringt, dafür aber nicht
innovativ ist. Skripte lassen sich als Bindeglied zwischen den formalen Regeln
und dem eigentlichen Handeln sehen.
Der Taylorismus hilft uns beim Auffinden ökonomischer
Organisationsstrukturen. Allerdings sind diese - wie der Human Relations-Ansatz
zeigte - der Arbeitszufriedenheit und der Motivation der Mitglieder nicht
gerade förderlich. Die meisten Menschen wollen ihre Arbeit nicht auf ein
paar Handgriffe reduziert sehen (die im Prinzip jeder entsprechend
konditionierte Affe auch ausführen könnte). Viel lieber
möchte er ohne Vorgaben arbeiten und nach seiner eigenen Methodik etwas
Eigenes schaffen - er möchte sich also lieber selbst organisieren.
Nach Hackmann gilt die Unterscheidung, dass Selbstführung
Ergebnisverantwortung, Ergebniskontrolle und gegenseitige Abstimmung
beinhaltet. Bei der Selbststrukturierung kommt zusätzlich hinzu, dass
die Betroffenen selbst die Strukturen bedürfnisgerecht gestalten
dürfen. Die Selbstzielsetzung schliesslich ermöglicht eine
Selbstorganisation, die gänzlich ohne Fremdeinfluss auskommt - was
aber offenbar aus Sicht der Organisationsleitung nur bei Vorständen oder
internen Venture Teams erstrebenswert ist, denn Selbstorganisation findet in
der Praxis nicht statt.
Auch die Selbstführung hat laut March und Simon
Probleme, sich durchzusetzen - selbst wenn das Management sie ausdrücklich
billigt. Denn wie das schlechte Geld das gute verdrängt (weil es jeder loswerden
will), verdrängt die Fremdführung auch die Selbstführung (weil
Fremdführung bequem macht). Und in gleicher Weise verdrängen die
Routinen die Innovationen (weil Programme leichter ausführbar sind).
Diese Ansicht stimmt auch mit der Annahme der evolutionären
Managementtheorie überein, dass Organisationen nur begrenzt gestaltbar
sind, weil eine synoptische Rationalität (z.B. eine Selbstführung als
Strukturierungsmassnahme, die von oben verordnet wird) selten der
Realität gerecht werden kann. Besser ist es für das Management, nur
exogene Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine endogene Ordnung hervorbringen
können. D.h., eine Selbstführung kann nur dann funktionieren,
wenn:
-
klare Ziele vorgegeben sind, die mit den Zielen der Organisation
übereinstimmen, die aber auch die Bottom-up-Einflüsse der Mitglieder
berücksichtigen.
-
ganzheitliche Aufgabenbereiche geschaffen werden, in denen sich Mitglieder
"verwirklichen" können. Das Ganzheitsprinzip lässt sich auch auf
beliebige Gruppen ausweiten. Die so gruppierten Mitglieder können sich
gegenseitig qualifizieren, der Spielraum zur Selbststrukturierung wächst,
die Qualität der erarbeiteten Lösungen erhöht sich und das
Motivationspotenzial wird durch die Befriedigung sämtlicher sozialer Bedürfnisse
gesteigert.
-
das (Erfolgs-)Feedback nicht nur an das Management, sondern v.a. auch an
die Betroffenen weitergeleitet wird.
-
die Vorgesetzten bzw. Experten nicht vorgebend, sondern beratend arbeiten.
Führen bedeutet hierbei also, sich selbst entbehrlich zu machen. Das wird
aber wohl nur selbstlosen und/oder arbeitnehmerfreundlichen Managern gelingen -
und solche Manager wären schon fast ein Widerspruch in sich.