Organisatorische Effizienz
Geschwurbel von Daniel Schwamm (14.04.1994)
Inhalt
Die Effizienz einer Organisation wird durch drei Komponenten gebildet: Den
Zielen der Organisation, dem Input und den daraus ergebenden Output. Die Effizienz
gibt gewissermassen der Grad der Zielerreichung wieder, vergleicht also das
Ist-Ergebnis mit dem Soll-Ergebnis. Sie gibt damit an, wie erfolgreich die
Aktivitäten der Mitarbeiter durch die Organisationsstrukturen auf das Ziel
ausgerichtet wurden, wobei der situative Ansatz lehrt, dass dabei auch auf
die jeweilige Situation, in der sich die Organisation befindet, Rücksicht
genommen werden muss. Schematisch sieht die zugehörige
Kausalitätskette folgendermassen aus:
Situation => Ziele => Strategien => Strukturen => Aktivitäten => Effizienz
Es werden zwei grundsätzliche Ansätze bei der Bestimmung der
organisatorischen Effizienz unterschieden:
-
Zielansatz der Effizienzbestimmung: Bei diesem Ansatz wird von der Situation
abstrahiert; es finden nur die Ziele des Unternehmens Berücksichtigung. Die
organisatorische Effizienz entspricht dem empirisch bestimmbaren Grad der
Zielerreichung, wobei v.a. Rückschlüsse auf die Zweckrationalität
der Organisationsstrukturen gewonnen werden können. Zu beachten ist aber,
dass Ziele auch konfliktionär sein können, d.h., eine allgemein
hohe Zielerreichung kann u.U. auch negative Effekte bezüglich der Effizienz
hervorrufen.
-
Systemansatz der Effizienzbestimmung: Bei diesem Ansatz wird auch die
Situation berücksichtigt, in der sich das Unternehmen befindet. So wird
organisatorische Effizienz beim (a) System-Überlebensansatz mit der
Überlebensfähigkeit von Organisationen durch Anpassungsfähigkeit
und Konfliktminimierung gleichgesetzt. Der (b) System-Effektivitätsansatz
verbindet Effizienz mit Produktivität und Flexibilität. Und der
(c) System-Ressourcen-Ansatz geht überhaupt nicht mehr auf die Ziele ein,
sondern sieht Effizienz schon alleine dadurch gegeben, dass die Ressourcen
stets verfügbar gehalten werden.
Wie schon an den verschiedenartigen Ansätzen der Bestimmung der
organisatorischen Effizienz zu erkennen ist, ist die Bestimmung der
organisatorischen Effizienz mit einigen Problemen behaftet. Diese Probleme sind
im Einzelnen:
-
Je mehr Dimensionen der Effizienz aufgedeckt werden, desto abstrakter wird
diese Grösse und desto unhandlicher für die Praxis.
-
Die organisatorische Effizienz wird häufig dahin gehend
interpretiert, dass man von dem institutionellen Organisationsbegriff
ausgeht, d.h., es wird darunter fälschlicherweise eher die gesamte
Unternehmenseffizienz verstanden, als die Effizienz einzelner
Organisationseinheiten, die es zu verbessern gilt.
-
Je nach Ansatz werden die situativen Einflüsse oder die Ziele bei der
Bestimmung der organisatorischen Effizienz vernachlässigt.
Überlegen wir uns nun, welchen Ausweg es aus diesen Problemfeldern
geben kann. Es bietet sich an, die Effizienz in ihre wesentlichen Dimensionen
zu zerlegen, d.h., es müssen ihre Effizienzkriterien bestimmt werden. Und
diese Effizienzkriterien, von denen wir im nächsten Kapitel ein paar
kennenlernen werden, können dann leichter partiell-empirisch analysiert
werden.
Für die organisatorische Effizienz lassen sich unzählige Dimensionen
bestimmen, so können z.B. genauso gut Flexibilität, Produktivität,
Arbeitszufriedenheit, Umsatz, Fluktuationen usw. für sie verantwortlich
gemacht werden. Die meisten dieser Dimensionen sagen etwas aus über die
Beziehung zwischen der Situation, den Organisationsstrukturen und dem Verhalten
der einzelnen Organisationsmitglieder, doch wie bereits weiter oben bemerkt, wird
dabei die Organisation zu sehr als Ganzes betrachtet. Ziel bei der Bestimmung der
organisatorischen Effizienz ist es aber eher, dysfunktionale Struktureigenschaften
im Kleinen aufzudecken. Aus diesem Grund müssen aus der gegebenen
Dimensionsvielfalt zunächst passende Dimensionen, d.h. Effizienzkriterien,
ausgewählt werden.
Nach tendenzieller Meinung der Organisationsforschung lassen sich folgende
Effizienzkriterien besonders gut zur Beurteilung von organisatorischen
Gestaltungsalternativen einsetzten:
-
Anpassungsfähigkeit: Dieses Kriterium der Effizienz ist allen
anderen übergeordnet, da nur die Anpassungsfähigkeit die
Überlebensfähigkeit einer Organisation garantieren kann, was
natürlich im besonderen Masse bei gegebenen dynamischen
Umweltverhältnissen gilt. Folgende effizient-anpassungsfähige
Verhaltenstypen lassen sich unterscheiden:
- Bei statischer Umwelt müssen die Anpassungskosten niedrig sein.
- Bei Nachfrageschwankungen muss operationale Anpassungsfähigkeit gegeben sein.
- Neue Techniken verlangen strategische Anpassungsfähigkeiten.
-
Strukturelle Anpassungsfähigkeit ist nötig, wenn organisatorische Änderungen
ohne Störung des betrieblichen Prozesses vorgenommen werden sollen.
-
Synergien: Durch Zusammenlegung isolierter organisatorischer Einheiten lassen
sich Effizienzvorteile erlangen (1+1=3), weil die vorhandenen Kapazitäten
besser ausgeschöpft werden können - v.a. fallen dabei z.B. die
unnötigen Doppelarbeiten weg. Die verbundene Leistung ist meist auch
grösser als die Summe der Einzelleistungen, ist allerdings auch
evtl. mit höheren Koordinationskosten verbunden.
-
Slack: Die bewusste Überdimensionierung der Lagerhaltung
erhöht die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von
Organisationen, was v.a. bei dynamischen Umwelten von Belang ist. Problematisch
ist der organisatorische Überschuss allerdings, da er nur grob
geschätzt werden kann, und mit relativ hohen Lagerkosten verbunden
ist.
-
Koordination: Die Koordination sorgt dafür, dass die
Aktivitäten der Mitarbeiter auf die Unternehmensziele ausgerichtet
werden. Dadurch können Kosten eingespart werden, weil z.B. auf
grössere Lagerhaltungsreserven verzichtet werden kann. Doch die
Koordination bindet auch betriebliche Ressourcen, z.B. zur
Informationsgewinnung. Das effizienteste Mass an Koordination muss
also durch Nutzen-Kosten-Relationen erst ermittelt werden, wobei auch die
situativen Einflüsse eine grosse Rollen spielen (z.B. korreliert
bekanntermassen die Beziehung zwischen Koordination und
Unternehmensgrösse).
-
Konflikte zwischen Mitarbeitern: Streiten sich Mitarbeiter um knappe
Ressourcen, z.B. aufgrund unklarer Kompetenzregelungen, dann geht die
Effizienz natürlich den Bach runter, weil durch die anfallenden
Aushandlungsprozesse viel Zeit vergeht und darunter die
Anpassungsfähigkeit der Organisation leidet. Allerdings können
Konflikte auch funktional sein, nämlich dann, wenn sie eine
verstärkte Alternativensuche anregen, und damit neue, innovative Wege
aufdecken helfen.
-
Arbeitszufriedenheit: Wie man weiss, haben organisatorische Regeln
grossen Einfluss auf die Handlung der Mitglieder. Sind nun diese
Regeln nicht nach den Bedürfnissen der Mitarbeiter gestaltet, dann kommt
es zu Arbeitsunzufriedenheit und Demotivation, worunter die
Aufgabenerfüllung - und damit auch die Effizienz - leiden kann. Ein Mittel
dagegen: Durch Schaffung von abschliessenden Arbeitsplätzen kann z.B.
der Identitätsgrad der Arbeiter mit ihrer Arbeit erhöht werden, was
sich positiv in ihrem Krankenstand auswirkt, was dann wiederum die Effizienz
erhöht.
Um reale Probleme in Teilbereichen einer Organisation aufzudecken,
sind, wie erwähnt, die Dimensionen der organisatorischen Effizienz zu abstrakt, und
daher haben wir sie in die wichtigsten Effizienzkriterien aufgespalten. Doch auch
die Effizienzkriterien sind noch zu allgemein gehalten, zu wenig
operationalisierbar und damit zu wenig empirisch überprüfbar. Daher
transformieren wir sie nun in messbare Problemindikatoren, wobei
einschränkend bemerkt werden muss, dass die Beziehungen zwischen
den Effizienzkriterien und den Problemindikatoren, wie wir sie gleich
kennenlernen, nur auf Annahmen und Hypothesen beruhen, sich also in keiner Weise
empirisch überprüfen lassen.
Begriff des Problemindikators: Ein organisatorisches Problem ist eine
festgestellte Soll-Ist-Abweichung. Ein Indikator ist eine messbare
Hilfsgrösse, i.d.R. für eine weniger operationalisierbare
Massgrösse. Ein Problemindikator ist damit also eine
messbare Hilfsgrösse eines Effizienzkriteriums zur Feststellung
einer möglichen Soll-Ist-Abweichungen in einem Teilbereich der
Organisation.
Arten von Problemindikatoren: Es gibt (a) Kontrollproblemindikatoren,
über die Soll-Ist-Abweichungen feststellbar sind. Es gibt (b)
Trend-Problemindikatoren, die Abweichungen zwischen Soll-Werten und
prognostizierten Werten aufdecken können. Es gibt (c)
Alternativen-Problemindikatoren, die Alternativen mit gleicher Effizienz
aufzeigen (die aber sehr schwer bestimmbar sind). Es gibt (d) globale
Ziel-Problemindikatoren, die zeigen, in wieweit die Unternehmensziele
(z.B. Gesamtumsatz) erreicht wurden. Es gibt (e) differenzierte
Ziel-Problemindikatoren, die den Erfolg von Teilzielen (z.B. Ansatzmenge
eines Produktes) messen. Und es gibt (f) Ursachen-Problemindikatoren, die
auch den Situationseinfluss (z.B. Konkurrenzverhältnisse) mit in
die Teilzielerreichungsrechnung einbeziehen können.
Anforderungen an Problemindikatoren: Sie sollten (a) die Bedeutung der
Dysfunktionalität aufzeigen, (b) die Situation mitberücksichtigen,
(c) frühzeitig Probleme anzeigen, (d) den Ungewissheitsgrad angeben,
also anzeigen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass das aufgezeigte
Problem auch ein reales Problem der Organisation ist, (e) Diagnosepotenzial
innehaben, und (f) mit wenig Einsatzkosten verbunden sein (Stichwort:
Sekundärerhebungen).
Sehen wir uns noch einmal an, was wir bisher gemacht haben: Wir haben die
Effizienzkriterien identifiziert, die die Dimensionen der organisatorischen
Effizienz bestimmen, und damit die innerbetrieblichen Dysfunktionalitäten
aufdecken können. Danach haben wir uns klar gemacht, dass die
Effizienzkriterien in Problemindikatoren transformiert werden müssen, um
empirisch prüfbar zu werden. Weiterhin haben wir beschrieben, über
welche Kennzeichen Problemindikatoren verfügen sollten. Daraus können
wir nun ein System organisatorischer Problemindikatoren bilden, welches uns
in Zukunft hilft, organisatorische Effizienz besser unter die Lupe nehmen zu
können.
-
Die Anpassungsfähigkeit wird transformiert in die Problemindikatoren:
- Dezentralisierungsgrad: Zählung der Rückfragen bei Instanzen
- Produktinnovationsrate: Zählung Patente, Lizenzen, Vorschlagswesen
-
Die Synergie wird transformiert in den Problemindikator:
-
Doppelarbeitvorkommen: Zählung oder Erkennung aus den Stellenbeschreibungen
-
Der Slack wird transformiert in die Problemindikatoren:
- Ressourcenauslastungsgrad: Schätzung
- Durchlaufzeiten: Feststellung von Engpässen?
- Überstundenzahl/Mitgliederklagen: Befragung, Personalabteilung
-
Die Koordination wird transformiert in die Problemindikatoren:
- Stellenbeschreibungen/Organigramme: Stäbe zählen u.ä.
- Denzentralisationsgrad: Zählung der Rückfragen bei Instanzen
-
Der Konflikt wird transformiert in die Problemindikatoren:
- Beschwerdehäufigkeitsgrad: Befragung
- Instanzeneingiffsgrad: Schätzung
-
Die Arbeitszufriedenheit wird transformiert in die Problemindikatoren:
- Fehlzeiten: Personalabteilung
- Fluktuation: Nur freiwillige Austritte bewerten!
- Lohnforderung: Personalabteilung
Bleibt nur noch zu sagen, dass neben der Feststellung der Ist-Werte der
Problemindikatoren auch Soll-Werte definiert werden sollten, worauf hier
wiederum auf die besondere Beachtung der Situation Wert zu legen ist. So lassen
sich z.B. keine allgemeinen Soll-Innovationsraten bestimmen, wohl aber
Soll-Innovationsraten für einzelne Branchen.
Effizienz = Grad der Zielerreichung = Soll-Ist-Vergleich
Effizienzbestimmungsansatz: Berücksichtigung von Zielen und/oder Situation.
Effizienzmessung zur Aufdeckung dysfunktionaler Struktureigenschaften:
-
Dimensionen der Effizienz bestimmen, z.B.
-
Dimensionen in Effizienzkriterien transformieren, z.B.
- Anpassungsfähigkeit
- Synergie
- Slack
- Koordination
- Konflikte
- Arbeitszufriedenheit
-
Effizienzkriterien in Problemindikatoren transformieren, z.B.
- Dezentralisierungsgrad
- Innovationsrate
- Doppelarbeitsvorkommen
- Ressourcenauslastung
- Durchlaufzeiten
- Überstundenzahl
- Beschwerdehäufigkeit
- Fluktuation
Die Effizienz hängt von sehr vielen Faktoren ab. Einzelne Dimensionen davon
zu bestimmen, ist schwierig. Noch problematischer ist es, den Beitrag
der Organisationsstrukturen zur Effizienz zu isolieren, denn die Effizienz
hängt auch von nicht-strukturellen Faktoren ab (wie z.B. den Strategien,
der Führung, den Mitarbeitern usw.). Auch die Transformation in
Effizienzkriterien hilft hier nicht weiter, denn es lassen sich unzählige
finden, die alle gute Gründe für das Vorhandensein von Effizienz
liefern können, selbst wenn sie widersprüchlich sind (z.B. Effizienz
durch niedrige Kosten steht im Widerspruch zu Effizienz durch ausgefeilte
Kommunikationstechniken). Der Auswahl haftet stets etwas Willkürliches
an - sie ist kaum valide. Und selbst wenn sie es sein sollte: Nach der
Umwandlung in Indikatoren kommt es zu zahlreichen Messproblemen, z.B.
stochastischer Natur (der Zufall bestimmt bei kleinen Stichproben das
Ergebnis). Wie soll gewichtet werden? Was, wenn nicht Linearität vorliegt?
Die einzelnen empirischen Befunde sind quantitativ, i.d.R. nicht aber auch
qualitativ vergleichbar.
Die beste Lösung einer Organisationsstruktur ist nicht
auffindbar, da schon die Effizienz nicht anhand bestimmter Kriterien eindeutig
festgestellt werden kann - zumindest nicht, in wieweit sie durch die
Strukturen bestimmt wurde. Es ist also legitim, die Betroffenen an der
Gestaltung der Strukturen zu partizipieren.