Rationalisierung im Verwaltungsbereich
Geschwurbel von Daniel Schwamm (27.06.1994)
Inhalt
Seit den 70ern wird nicht nur die Ablauforganisation
rationalisiert, sondern auch die Produkte selbst. Die Wertanalyse im
Produktbereich bringt Produkte mit gleichen Leistungswerten, aber niedrigeren
Kosten zuwege, indem z.B. festgestellt wird, dass ein 4 mm-Blech
ausreicht, wo bisher 5 mm-Blech eingesetzt wurde. Es geht bei der Wertanalyse
also zunächst darum, die Funktion eines Produkts zu ermitteln, um dann
gezielt nach alternativen Lösungen suchen zu können, ohne
Rücksicht auf bestehende Strukturen nehmen zu müssen. Dieser Gedanken
wird nun auch im Verwaltungsbereich verfolgt, wo die Gemeinschaftskosten
überproportional angewachsen sind. Gründe dafür gibt es
zahlreiche: Die natürliche Dynamik in Organisationen, die verschiedenen
Instrumentarien, die jedermann zu Verbesserung seiner Ergebnisse einsetzt, die
letztlich aber eher Kosten als Nutzen verursachen, die Rationalisierung der
Produktion fördert die Verwaltung, überflüssige
Dienstleistungen, Prognosen bis ins Jahr 3000, externe Experten drängen
sich auf, schlichter Übereifer (jede neue BWL-Theorie wird gleich
ausprobiert), die Machtbedürfnisse einzelner, Parkinsons Gesetze, usw.
Dabei gilt: Der Gewinnbeitrag der Verwaltungshilfsmittel lässt sich
zwar nicht nachweisen, aber angeschafft werden sie dennoch immer in guten
Zeiten, während sie in schlechten Zeiten dann keiner mehr ohne Kampf
wieder hergeben will.
Die GK-Wertanalyse ist eine reine Kostensenkungsmethode
(im Gegensatz zum Zero-Base-Budgeting, das auf Kostenumverteilung hinzielt; siehe
nächstes Kapitel). 50% der Gemeinschaftskosten (GK) eines Unternehmens setzten
sich aus Verwaltungskosten zusammen, ca. 85% der Verwaltungsgemeinschaftskosten wiederum gehen
auf das Konto des Personals, welches vom mittleren Management beherrscht wird.
Statt dass wie bei der konventionellen Ablaufrationalisierung und
Wertanalyse nur die Ausführenden die Rationalisierungsmassnahmen zu
spüren bekommen, sind bei der GK-Wertanalyse v.a. die mittleren Manager betroffen,
was ganz im Einklang mit der derzeitigen Leaning-Absicht ist.
Die GK-Wertanalyse besteht aus fünf Projektschritte. Die
Hauptakteure sind die mittleren Manager selbst, denn sonst wäre kaum ein
Erfolg in Aussicht zu stellen. Die Experten der GK-Wertanalyse (z.B. McKinsey,
die die GK-Wertanalyse entwickelt haben) halten sich im Hintergrund. Jeder Schritt
dauert nach den "eisernen Regeln der GWA" nur exakt eine Woche, alle Beschlüsse sind
unveränderbar, und den Leitern der Untersuchungseinheit ist jeweils nur der
nächste Schritt bekannt (dadurch können effektiv Blockadeversuche unterbunden
werden).
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Vorschulung: Bekanntmachung der Generalamnesie, d.h. es
kann kein Leiter dafür zur Verantwortung gezogen werden, dass er die
zu findenden Sparvorschläge in seiner Organisationseinheit nicht schon
früher entdeckt und realisiert hat.
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Die Leiter der Untersuchungseinheit bestimmen
sämtliche Funktionen, die unter ihrer Obhut ablaufen. Zudem wird
aufgeführt, wo die Kosten entstehen und wer Nutzniesser der
exportierten Dienstleistungen ist. Dieser Schritt ist sicher der schwierigste,
v.a. weil es sich hier um Verwaltungsgemeinschaftskosten handelt, also um geistige
Tätigkeiten wie Planung, Programmierung, die nicht von Externen
beobachtbar sind. Allerdings verlangt die GWA keinesfalls sonderlich genau
IST-Analysen; grobe Schätzungen (Aufwände bis 0.1 Mannjahre
Genauigkeit angeben) reichen vollkommen aus.
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Die Leiter der Untersuchungseinheit bekommen den Auftrag von den Leitern der
Projektgruppe (die sich nach McKinsey aus den Profilierungssüchtigen des
Middle Management der Organisation rekrutieren) Vorschläge zu finden, mit
denen sich 40% der Kosten reduzieren lassen (die abstrakt in Mannjahren
vorliegen, da ja keine Tätigkeiten, sondern nur Funktionen betrachtet
werden). Diese utopische Forderung radikalisiert das Denken, und soll
schlummernde Ideen wachrütteln, auch wenn sie noch so verrückt
klingen. Die Liste mit den Vorschläge, die der Leiter der Untersuchungseinheit
mithilfe seiner Mitarbeiter zusammenbringt, muss er anschliessend unterschreiben.
Es sind dann SEINE Vorschläge, während die obere Führung ihre
Hände für alle folgenden Massnahmen in Unschuld waschen kann.
Die Wirkung ist letztlich schwer abschätzbar, denn bei Verwaltungsgemeinschaftskosten kann
man nicht so leicht wie bei der Wertanalyse des Produktbereichs mit
monetären Grössen rechnen. Oft läuft die Sache auf aus ein
Ausprobieren von Alternativen hinaus, deren Erfolg langfristig keinesfalls
gesichert ist.
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Die Vorschläge werden auf ihre Durchführbarkeit
hin untersucht. Der abteilungsfremde Projektleiter hat dafür zu sorgen,
dass die Leiter der Untersuchungseinheit möglichst viele A-Vorschläge zusammenbringen,
denn nur diese sind sinnvoll zu realisieren; ausserdem ist er es, der die
Vorschläge vor dem Lenkungsauschuss (GWA-Experten und Top-Management)
verantworten muss. Da der Leiter der Untersuchungseinheit begreift, dass
hinter den von ihm gewonnen Mannjahre letztlich Personen stehen, die entlassen
werden können/sollen, wird er gerade entgegengesetzt versuchen, möglichst
viele C-Vorschläge anzubieten, um keine Mitarbeiter zu verlieren. GK-Wertanalysen
bieten offenbar reichlich Konfliktpotenzial.
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Die A-Sparvorschläge werden - sofern der
Lenkungsausschuss zustimmt - in Aktionsprogramme transferiert und von den
Leitern der Untersuchungseinheit realisiert, d.h. sie sind es auch, die wählen müssen,
wen von ihren Mitarbeitern sie entlassen müssen.
Die GK-Wertanalyse ist eine Rationalisierungsmethode, die so rasch abgearbeitet
wird (wobei explizit jede Verzögerung von vorneherein ausgeschlossen ist), dass
die Leiter der Untersuchungseinheit regelrecht überfahren werden. Ehe
sie überhaupt begreifen, dass sie mit der GK-Wertanalyse letztlich ihre eigene
Abteilung beschneiden, weil sie sich im Rationalisierungsrausch befinden,
können sie keine Abwehrmassnahmen treffen. Nach einer Woche hat der
Lenkungsausschuss ihre unterschrieben A-Vorschläge in der Hand und sagt zu den
Leiter der Untersuchungseinheit: "Nun entlasst einmal schön!" Das Management kann
helfen, indem es günstige Pensionsregelungen trifft, jedoch kann es dann
passieren, dass den Leitern der Untersuchungseinheit die falschen Leute abhanden
kommen. Andererseits kann der Leiter der Untersuchungseinheit die GK-Wertanalyse
auch als willkommen Anlass nehmen, (vielleicht funktionswichtige) ungeliebte
Mitarbeiter loszuwerden, was auch nicht im Sinne einer Effizienzsteigerung
sein kann.
Lerneffekte sind zu erwarten; die Administratoren-Askese
gefällt den Administratoren nicht, und daher werden sicher zukünftig
A-Vorschläge bei GK-Wertanalysen sicher nie wieder so zahlreich sein, wie sie das bei
den ersten durchgeführten GK-Wertanalysen waren. Zudem zeigen A-Vorschläge nicht
nur auf überflüssigen Speck, denn der kann auch wichtige
Pufferfunktionen besitzen; ausserdem unterstützt er u.U. eine
Erweiterung/einen Fortschritt der Organisation und wirkt sich auf die AZ aus.
Zuletzt bestimmen auch die Fähigkeiten des Leiters der Untersuchungseinheit,
ob und wie weit A-Vorschläge gebildet werden können, d.h. man traut den Leitern
der Untersuchungseinheit u.U. zu viel Know-how in Richtung Rationalisierung zu,
um über sie das Optimum erreichen zu können.
Die GK-Wertanalyse bekämpft eigentlich nur Symptome, nicht aber die
Ursachen. Denn die natürliche Dynamik, das Verhalten der Mitarbeiter
ändert sich dadurch ja nicht. Früher oder später kommt es wieder
zu einer Aufblähung des mittleren Managements, was eine erneute GK-Wertanalyse
erforderlich macht (worüber sich die Unternehmensberatungen sicher freuen
werden, nicht aber die Betriebsräte, die z.T. GK-Wertanalysen nur zulassen, sofern
keine Entlassungen damit verbunden sind).
Zero-Base-Budgeting aus den 60ern von Texas Instruments ist
eine Analyse- und Planungstechnik zur Umverteilung von Ressourcen und
gleichzeitiger Kosteneinsparung. Im Gegensatz zur GK-Wertanalyse dient es nicht nur der reinen
Kostensenkung bei Beibehaltung der bisherigen Systemen der Funktionserfüllung
(i.d.R. Abteilungen), sondern sieht auch eine Änderung der Funktionserfüllung und
der Systeme selbst vor. Dabei wird von einer Nullbasis ausgegangen,
d.h. man stellt sich vor, man würde das Unternehmen gerade erst "auf der
grünen Wiese" gründen. Dies zwingt zu einer Strategiebildung, d.h.
das Unternehmen kann nicht wie sonst oft üblich mit "Volldampf durch den
Nebel fahren". Wiederum wird die Ermittlung und Durchführung der
Änderungen dem mittleren Management überlassen, denn wie die GK-Wertanalyse zielt
auch das Zero-Base-Budgeting hauptsächlich auf Verwaltungsgemeinschaftskosten ab; die
Experten des Zero-Base-Budgeting beraten nur. I.d.R. wird sie alle drei bis fünf
Jahre durchgeführt und eignet sich v.a. für Projekt-Organisationen, die auf intensive
Kooperation zwischen den Abteilungen angewiesen sind. Sie dauert ca. 16 Wochen,
was ziemlich kurz ist, angesichts ihrer potenziellen Wirkung.
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Entscheidungseinheiten bilden: Die Funktionsträger
(z.B. Abteilungen, Gruppen, Stäbe, ...) werden anhand der bestehenden
Organisation zu Entscheidungseinheiten zusammengefasst. Angegliedert ist
eine Feststellung der Kosten der Leistungen und die Empfänger der
Leistungen. Z.B. lässt sich die Entscheidungseinheit Rechnungswesen
aus den Funktionseinheiten Debitoren, Kreditoren, Mahnwesen, Bilanzen,
Rechnungsprüfung usw. bilden. Fünf bis acht Wochen Zeit kann dieser -
für den laufenden Betrieb aufwendige - Schritt für sich beanspruchen.
Jeder Mitarbeiter zählt dabei stets als Mannjahr, egal, welche Leistung er
erbringt - es sei denn, er ist Halbtagsarbeiter. Die Daten werden über
Standard-Formulare erhoben, die allgemein bekannt sind.
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Entscheidungspakete jeder Entscheidungseinheit bilden:
Hierbei geht es nicht immer darum, die Funktionen (unabhängig von der
derzeitigen Aufbau- und Ablauforganisation) effizienter zu gestalten, sondern
sie nur so weit zu fördern, wie sie auch nötig sind. Mehr Menge bzw.
Qualität zu bieten, als verlangt wird, ist irrational. Man erhält
durch Brainstorming u.ä. Kreativitätstechniken den operationalen
Zielen entsprechende Entscheidungspakete (am besten in Form mehrere
Alternativen!). Neben nötigen alten Funktionen können auch neue
Funktionen gefunden und in die Entscheidungspakete aufgenommen werden. Die
Entscheidungspakete werden in drei Zielniveaus formuliert: Minimales
Arbeitsergebnis (keine neuen Ressourcen nötig) und mittleres und hohes
wünschenswertes Arbeitsergebnis (neue Ressourcen für die
Entscheidungseinheit nötig). Welches Zielniveau letztlich
berücksichtigt wird, obliegt der Strategie der Führung (siehe
nächsten Schritt).
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Rangordnung von Entscheidungspaketen: Je nach relativer
Bedeutung im Hinblick auf die strategische Stossrichtung der Organisation
lassen sich die Entscheidungspakete von den Entscheidungseinheitsleitern in
jeder Hierarchiestufe (Führung, Hauptabteilungen, Abteilungen) in
unbedingt zu genehmigende Entscheidungspakete und bedingt wünschenswerte
Entscheidungspakete gruppieren. Je nach Vorhandensein von benötigten
Ressourcen können dann in Abhängigkeit ihrer Priorität die
bedingt wünschenswerten Entscheidungspakete erfüllt werden oder auch
nicht. Man erhält dadurch z.B. A-, B- und C-Entscheidungspakete pro
Gruppe. Die Führung muss den Budgetschnitt ansetzen, der festlegt,
welche Zielniveaus künftig die Entscheidungseinheiten verfolgen sollen.
Personalwechsel oder sonstige Ressourcenumstrukturierungen bleiben dabei nicht
aus, jedoch kann für gewöhnlich von Entlassungen abgesehen werden.
Natürlich strebt jede Einheit ein A-Niveau ihres Entscheidungspaket an,
woraus ein Grossteil der Motivation resultiert, die unbedingt nötig
ist, um das Projekt erfolgreich durchführen zu können.